I.
Lebensbilder.
Motto: Lerne, um ;u leben!
Lebe, um ;n lernen!
1. Nicht der Schule mutz man lernen, sondern dem Leben.
Was heißt lernen? Man hat davon falsche Begriffe, wenn man
glaubt, es heiße: fremde Worte sich einprägen. Worte sind Schälle;
ohne Gedanken aber hat man sie nur als Papagei gelernt, denn bekannter¬
maßen lernt auch der Rabe, der Papagei Wortschälle und sagt sie zu
rechter und zu unrechter Zeit wieder.
Worte ohne Gedanken lernen, ist der menschlichen Seele ein schäd¬
liches Opium. Sie ermatten die Seele und halten sie in einer bequemen
Unthätigkeit fest. — — Und der träge Mensch ist zu ihnen so geneigt!
Worte wird ihm leichter zu sprechen, als Gedanken zu denken. Er findet
in ihnen fertige, oft schöne Gedankenformen; sie paffen in die Rede; dem
gleich Trägen sind sie willkommen, wie sie es ihm waren; warum sollte
er sich, warum andere mit Gedanken irre machen oder beschweren? O,
wie viel leere Worte faßt das Kind, der Jüngling auf; wie viel leere
Wortformen, die oft am lautesten tönen. — Von dieser Wortschlenderei
muß sich ein denkender Jüngling frühe entwöhnen, denn mit ihnen hat er
nicht denken gelernt, sondern das Denken verlernet. Er wird ein Sklave
fremder Gedanken und Meinungen, ohne daß er die Ketten auch nur fühle,
ohne daß er frei und selbstthätig zu werden auch nur strebe. Lebenslang
ist und bleibt er ein Nachfprecher!
Was thun wir, wenn wir gehen, sprechen, zeichnen, tanzen lernen?
Nicht wahr, wir üben und vollführen ein Werk; wir machen's nach, bis
wir's können; bis es gelingt, mit unseren Kräften, mit u n s e r e n
Gliedern. So bei sichtbar in die Augen fallenden Künsten; bei unsicht¬
baren und unsichtbarsten vor allen, dem Denken findet das Lernen
auf keine andere Weife statt. Seine Gedanken kann mir der Lehrer nicht
eingeben, eintrichtern; meine Gedanken kann, will und muß er durch
Worte wecken; also daß sie meine, nicht feine Gedanken sind. Worte
sind bloß das Instrument, dies muß ich mit eigenen Kräften, auf meine
Ahrens, Lehr- und Lesebuch für Fortbildungsschulen. 1