Die Aussöhnung.
Szenen, und wenn der König in Jähzorn geriet, ließ er sich zu den schwersten
Mißhandlungen seines Sohnes hinreißen, selbst in Gegenwart von Offizieren
und Hofbeamten. Ja, er sagte ihm selbst wiederholt: „Wenn mein Vater
mich so behandelt hätte, so wäre ich ihm tausendmal davongelaufen; aber
dazu gehört Mut." So reifte im Kronprinzen der Gedanke, sich der Gewalt
des Vaters durch die Flucht zu entziehen, und dabei richteten sich seine Hoff,
nungen auf England, dessen König der Bruder seiner Mutter war. Dort hoffte
er gute Aufnahme zu finden, und er gewann leichtsinnige Freunde, die ihm bei der
Flucht helfen wollten; aber der Plan nahm ein sehr trauriges Ende. Auf einer
Rheinreise, die er mit seinem Vater machen mußte, wollte der Prinz bei Heidel¬
berg in einer Nacht entfliehen und die französische Grenze erreichen; aber ein
Kammerdiener merkte sein Weggehen, weckte ein paar Offiziere, und man
zwang ihn umzukehren. Erst suchte man den Vorfall dem Könige zu ver-
bergen; aber dann gestand ein Page, der geholfen hatte, dem Könige, was
geschehen war. Dazu fiel diesem ein Brief in die Hände, den der Prinz an
seinen Freund und Helfer, den Leutnant von Katte, geschrieben hatte und
der den ganzen Plan enthüllte. Der König hielt sich zurück und fuhr mit
dem Prinzen den Rhein hinab, bis sie in Wesel wieder preußischen Boden be-
traten. Hier wurde der Prinz verhaftet und bald unter strenger militärischer
Bedeckung nach Küstrin gebracht. Zugleich wurde sein Mitschuldiger, Katte,
der sorglos die Zeit zur Flucht versäumt hatte, in Berlin ergriffen.
Nun ließ der König beide als Fahnenflüchtige vor Gericht stellen,
und auf Fahnenflucht stand Todesstrafe. Der Gerichtshof aber weigerte sich,
über den Kronprinzen ein Urteil zu fällen, und Katte verurteilte man nur
zu lebenslänglicher Festuugsstrase, weil er seinen Fluchtvorsatz nicht ausge-
führt habe. Der König aber verwandelte diesen Spruch in ein Todesurteil
und ließ dem Gefangenen sagen, es tue ihm leid, aber es sei besser, er stürbe,
als daß die'Gerechtigkeit aus der Welt käme. So wurde der Verurteilte
am Fenster des Prinzen vorbei zum Tode geführt. „Verzeih mir, mein
treuer Katte I" konnte ihm Friedrich noch zurufen. „Der Tod für einen so
liebenswürdigen Prinzen ist süß!" erwiderte jener, und standhaft erlitt er
den Tod. Den Prinzen aber erlöste eine tiefe Ohnmacht von der Qual
dieser Stunde.
5. Die Aussöhnung. Eine Zeitlang fürchtete man, der König werde
seinem Sohn dasselbe Schicksal wie Katte bereiten. Als man ihm bemerkte,
dazu bedürfe es der Zustimmung von Kaiser und Reich, antwortete er trotzig:
„Dann gehe ich nach Preußen, da habe ich keinen Herrn über mir!" Preußen
gehörte allerdings damals nicht zum Deutschen Reiche; aber schlagfertig ant-
mottete ihm der Feldprediger Müller: „Jawohl, Majestät, keinen Herrn als
Gott!" Da wurde der König doch nachdenklich. Als dann derselbe würdige
Geistliche, der dem Prinzen einen Abschiedsbrief Sattes gebracht hatte, dem
Könige berichten konnte, Friedrich sehe sein Unrecht ein und bereue es bitter,