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2. Die Pfirsiche.
Friedr. Adolf Krummacher.
Ein Landmann brachte aus der Stadt fünf Pfirsiche mit, die schönsten, die
man sehen konnte. Seine Kinder sahen aber diese Frucht zum erstenmal. Des—
halb wunderten und freuten sie sich sehr über die schönen AÄpfel mit den rötlichen
Backen und dem zartesten Pflaum. Darauf verteilte sie der Vater unter seine
dier Knaben und einen erhielt die Mutter. Am Abend, als die vier Kinder in
das Schlafkämmerlein gingen, fragte der Vater: „Nun, wie haben euch die schönen
Äpfel geschmeckt?“ „Herrlich, lieber Vater,“ sagte der älteste. „Es ist eine
schone Frucht, so säuerlich und so sanft von Geschmack. Ich habe mir den Stein
sorgsam bewahrt und will daraus einen Baum erziehen.“ „Brav,“ sagte der
Vater, „das heißt haushälterisch auch für die Zukunft gesorgt, wie es dem Land⸗
mann geziemt.“ „Ich habe den meinigen sogleich aufgegessen,“ rief der jüngste,
„und den Stein forigeworfen, und die Mutter hat mir die Hälfte von dem
ihrigen gegeben. O, das schmeckt so süß und zerschmilzt einem im Munde.“
„Nun,“ sagte der Vater, „du hast zwar nicht sehr klug, aber doch natürlich und
h nher Weise gehandelt. Fuͤr deine Klugheit ist auch noch Raum genug
im Leben.“
Da begann der zweite Sohn: „Ich habe den Stein, den der kleine Bruder
wegwarf, gesammelt und aufgeklopft. Es war ein Kern darin, der schmeckte so
süß wie eine Nuß. Aber meinen Pfirsich hab' ich verkauft und so viel Geld
dafür erhalten, daß ich, wenn ich nach der Stadt komme, wohl zwölf dafür
kaufen kann.“ Der Vater schüttelte den Kopf und sagte: „Klug ist das wohl,
aber kindlich und natürlich war es nicht. Bewahre der Himmel, daß du kein
Kaufmann werdest!“
„Und du, Edmund?“ fragte der Vater. Unbefangen und offen antwortete
Edmund: „Ich habe meinen Pfirsich dem Sohn unseres Nachbars, dem kranken
Georg, der das Fieber hat, gebracht. Er wollte ihn nicht nehmen. Da habe
ich ihm denselben auf das Belt gelegt und bin hinweggegangen.“
„Nun,“ sagte der Vater, „wer hat denn wohl den besten Gebrauch von
seinem Pfirsich gemacht?“ Da riefen sie alle drei: „Das hat Bruder Edmund
gethan!“ — Edmund aber schwieg still. Und die Mutter umarmte ihn mit einer
Thräne im Auge.
29. Der Golteskasten.
Friedr. Adolf Krummacher.
Es war einmal ein wohlhabender, angesehener Mann, des Name hieß
Benediktus, das heißt Segenreich. Solchen Namen führte er mit Recht; denn
Gott hatte ihn reichlich mit Gütern gesegnet, und alle Welt segnete ihn des—
gleichen, weil er jeden zu erfreuen suchte, den Fremdling wie den Nachbar, be—
sonders die Armen und Notleidenden. Er that aber folgendermaßen.
Wenn er einen frohen Tag gehabt hatte mit seinen Freunden, so ging er
in sein Kaämmerlein und dachte: „Es sind viele, die keines solchen Tages sich
erfreut haben, und was wäre es, wenn ich der Gäste noch einmal so viel ge—
laden haätte?“ — Also legte er von seinem Gelde so viel, als ihm die Mahlzeit
gekostet, in eine Lade, die nannte er den Gotteskasten. Desgleichen, wenn er
vernahim, daß irgendwo eine Feuersbrunst gewütet, so gab er seinen Beitrag
reichlich; darauf sah er sein Haus an und ging in sein Kaͤmmerlein und sprach:
„Alles steht bei mir fest und unversehrt!“ und legte dafür in den Gotteskasten.
ybermals, wenn er von Hagelschlag, Wassersnöten und anderen Unfällen hörte,
legte er dafür in den Gotteskasten.