Full text: Erzählungen aus der vaterländischen Geschichte

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Die Kleine führte ihn in ein niedriges, altes Haus auf eine 
Bodenkammer. Hier lag auf Stroh und Lumpen die kranke Mutter, 
einen Säugling im Arme. 
„Das ist ja entsetzlich!" flüsterte der Kronprinz leise. 
„Herr Doktor," sagte die Frau, „es ist unrecht, daß meine 
Tochter Sie heimlich gerufen hat. Ich habe keinen Heller und 
kann nichts bezahlen." 
„Haben Sie denn niemand, der für Sie sorgt?" fragte der 
Kronprinz. 
„Ich habe keinen Verwandten, der sich um mich kümmern 
könnte. So lange mein Mann lebte, ging es gut. Seit er tot ist, 
habe ich Tag und Nacht gearbeitet, um uns zu ernähren. Jetzt 
bin ich selbst krank geworden, und nun müssen wir alle drei Hungers 
sterben. Meine Kinder, meine armen Kinder!" 
Dem Mädchen hatte der Kronprinz ein Goldstück gegeben und 
ihm leise gesagt, es solle Brot und Wein holen. Jetzt kam die 
Kleine zurück, ein Brot unter dem Arme unb eine Flasche Wem in 
der Hand. 
Der Kronprinz öffnete die Flasche und schenkte der Kranken 
ein Glas ein, dann schnitt er jedem ein Stück Brot ab und gab 
es ihnen zu essen. Da kam ein Arzt; ein Diener des Kronprinzen 
hatte ihn heimlich gerufen. 
Der Kronprinz legte unbemerkt Geld auf den Tisch und ent¬ 
fernte sich. 
Als der Arzt fertig war, sagte er der Kranken, daß er nun 
alle Tage kommen werde und auch den Auftrag habe, den Apo¬ 
theker zu bezahlen. 
, „Wer war der Fremde?" fragte die Frau. „Ich hielt ihn 
für einen Arzt." 
„Das war der Kronprinz von Preußen!" antwortete der Arzt. 
Da faltete die Frau still ihre Hände zum Dankgebet. 
f. Kaiser Friedrich III., seine Regierung und sein Tod. 
Was Kaiser Friedlich als kluger und tapferer Feldherr ge¬ 
leistet, welche Siege er errungen hat, und wie er von seinen Soldaten 
geliebt worden ist, davon wird später die Rede sein. Durch seine 
Herzensgüte und sein leutseliges Wesen ist er der Liebling des 
ganzen deutschen Volkes geworden. Leider sollten wir „unsern Fritz" 
so früh durch den Tod verlieren.
	        
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