Full text: Erzählungen aus der vaterländischen Geschichte

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Da ftanb eine Bürgersfran vor einer Bube unb wollte für 
ihre Kinber Spielfachen saufen. 
Als sie ben König unb feine Gemahlin erblickte, trat sie ehr¬ 
erbietig beiseit. 
„Stehen bleiben! liebe Frau," sprach Luise, „was sollen bie 
Verkäufer wohl sagen, wenn wir ihnen bie Käufer verscheuchen!" 
Dann fragte sie bie Frau: „Wie viele Kinber haben Sie unb 
wie alt sind biefelben ? 
Die Frau erwiberte: „ Mein ältester Sohn ist so alt wie Ihr 
ältester Prinz." 
Da kaufte Luise Spielsachen für ben Knaben unb überreichte 
sie ber Mutter mit ben Worten: „Geben Sie biefe Kleinigkeiten 
Ihrem Kronprinzen im Namen bes meinigen." 
26. Königin Cuife unb ihr Lehrer. 
Ein alter Lehrer aus Darmftabt, ber bie Königin in ihrer 
Jugenb im Schönschreiben unterrichtet hatte, machte bie weite Reise 
nach Berlin, um vor feinem Tobe noch einmal feine frühere 
Schülerin zu sehen. 
Er ließ ber Königin melben, ein alter Bekannter ans Darmstabt 
fei ba. Die Königin ließ ihn sogleich vor sich kommen unb freute 
sich, ihn wieberzufehen. 
Sie unterhielt sich freunblich mit ihm unb fragte ihn: „Warum 
haben Sie bie weite Reife gemacht?" 
Er sprach: „Ich wollte, ehe ich sterbe, noch einmal meine liebe 
fleißige Schülerin sehen." 
Darüber freute sich bie Königin sehr, unb ber König lub ihn 
zum Mittagessen ein. 
Der alte Mann wollte bie Einlabung aus Befcheibenheit nicht 
annehmen unb entfchulbigte sich. 
Aber ber König sprach: „Wir finb ganz allein, kommen Sie 
nur!" 
Dann besah sich ber Lehrer bie schöne Stabt Berlin, unb zu 
Mittag fanb er sich wieber ein. 
Beim Abfchieb schenkte ihm bie Königin ihr Bilbnis, welches 
mit Ebelsteinen eingefaßt war, unb sagte babei: „Nehmen Sie, 
mein lieber Lehrer, biefe Kleinigkeit zum Anbeuten an Ihre ehe¬ 
malige Schülerin, bie sich recht herzlich freut, ihrem alten Lehrer 
noch einmal banken zu können." 
Der Lehrer konnte kein Wort hervorbringen, aber Thränen 
rannen aus seinen Augen unb bezeugten seinen Dank.
	        
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