Bekehrung der Deutschen zum Christentum. 105
Christentum bis ins sechste Jahrhundert noch nicht gedrungen. Zu
ihnen kamen die Glaubensboten von der Insel Irland, die damals
wegen der Frömmigkeit ihrer Bewohner „Insel der Heiligen" genannt
wurde. Columban war der thätigste unter diesen irischen Missio¬
naren. Als seine Mutter ihn zum Missionsamte nicht ziehen lassen
wollte, sondern sich vor ihm auf die Erde warf, um die Thür zu
verschließen, sprang er über sie hinweg und zog aufs Festland zu den
Alemannen im Vogesengebirge. Von hier vertrieben, kam er an den
Bodensee, wo von der Völkerwanderung her noch alles Land wüste
lag. Hier predigte er den wilden Bewohnern, während seine Genossen
die Götzenbilder zerschlugen. Dann wanderte er über die Alpen; sein
Schüler Gallus aber, der wegen Krankheit zurückbleiben mußte,
gründete mitten in der Wildnis das Kloster St. Gallen.
Durch die irischen Missionare wurden nur einzelne Pflanzstätten
des Christentums gegründet; in größerem Umfange geschah dies erst
durch die Angelsachsen aus England. Durch die Römer war die
christliche Lehre in den ersten Jahrhunderten nach Christo auch zu der
fernen Insel Britannien gedrungen, welche gegenwärtig von den Eng¬
ländern und Schotten bewohnt wird. Während der Völkerwanderung
aber zogen von Deutschland die heidnischen Angeln und Sachsen in
dieses Land und wurden nicht nur die Herren der Insel, sondern ver¬
nichteten auch das Christentum und machten die Insel wieder heidnisch.
Auf wunderbare Weise sollte nun dieses Land zum zweitenmal für das
Evangelium gewonnen werden. Als um das Jahr 600 einstmals der
Papst über den Markt in Rom ging, bemerkte er, wie eine
Anzahl fremdländischer Jünglinge als Sklaven verkauft werden sollte.
Durch ihre hohe Gestalt, ihre blonden Haare und blauen Augen sielen
sie dem Südländer auf. Gerührt durch ihre Schönheit, fragte der
Papst nach ihrer Heimat und erfuhr, daß es Angelsachsen seien, und
daß ihre Landsleute noch im finstern Heidentum lebten. Da beschloß
der Papst die Bekehrung dieses Volkes. 40 christliche Lehrer fuhren
über das Meer und fanden freundliche Ausnahme bei dem Oberkönig
der Angelsachsen, der selber noch Heide war, aber eine christliche
Königstochter zur Gemahlin hatte. Nach und nach traten alle Könige
der Insel mit ihren Völkern zur neuen Lehre über. Als sie aber
selbst erst den Segen des Christentums an sich erfahren hatten, be¬
schlossen sie, dasselbe auch anderen Völkern zu verkündigen. Zunächst
wandten sie sich zu den benachbarten Friesen an der Nordsee, deren
Sprache sie noch verstanden, so daß sie keines Dolmetschers bedurften.
1). Bonifatius. Der bedeutendste aller angelsächsischen Missionare
war Winfried, mit seinem kirchlichen Namen Bonifatius genannt.
Auch er ging zunächst zu den Friesen, vermochte aber nichts auszu¬
richten, weil der Friesenkönig Radbod ein heftiger Gegner des Christen¬
tums war. Es wurden dort dem Meeresgotte sogar Menschen geopfert,
die ant Strande ausgesetzt und beim Steigen der Flut von der Bran-