Full text: Lesebuch für die Oberstufe (Teil 4, [Schülerband])

Zwei Hohenzollernreisen nach Jerusalem. 
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den Boden polstern und als die einzig Unüberwindlichen über Frost und Schnee 
frohlocken. Das Blöken der Schaf- und Rindviehherden hat sein Ohr schon 
längst nicht mehr vernommen. Die Menschen, die er hie und da etwa antrifft, 
kommen ihm fremdartig vor, kleiner als daheim, mit einem andern Schnitt 
der Kleider und mit einem andern Gesicht. Es sind die Lappländer, mit 
welchen er im Norden von Schweden und Norwegen Bekanntschaft macht. 
Auch mit dem Renntiere wird er Freundschaft schließen müssen; denn 
ohne dieses Tier könnte er in Lappland gar nicht leben. Es hat unter allen 
Hirscharten die gedrungenste und kräftigste Gestalt. Der ganze Bau dieses 
Tieres ist zum Ertragen von Beschwerden, zum Ziehen von Lasten einge⸗ 
richtet. Auch weiß es sich auf einem Boden zu ernähren, der acht Monate 
des Jahres mit Schnee und Eis bedeckt ist. Hunger erträgt es ohne viel 
Beschwerde; Moos ist sein Lieblingsgericht. Trotz dieser kärglichen Nahrung 
überwindet es aber viel besser als das Pferd alle Schwierigkeiten, welche 
Schnee- und Eisfelder bieten. Unglaubliches vermag es vor dem Schlitten 
zu leisten. Wegstrecken, zu denen der Lappe im Sommer drei Tage gebraucht, 
durchläuft es im Winter in einem Tage. Nur gegen die Wärme und die 
Mücken ist es empfindlich. Kommt daher die kurze Sommerszeit, so ist der 
Lappe gezwungen, mit seinem Renntiere aus den warmen Tälern auf die 
Berge zu flüchten, und selbst da sucht es sich gern ein Schneefeld zum Ruhen 
aus. — So ist der Bewohner des Nordens von Europa ein Nomade ge— 
worden, weil die Renntiere, welche ihm Kleidung und Nahrung geben, No— 
maden sind. Im Winter lebt er in den Tälern; im Sommer schlägt er 
seine Zelte auf den Bergen auf. Birkenstämme bilden das Gerüst, Renntier⸗ 
felle die Decke des Zeltes, in welchem nicht nur Weib, Kind und Gesinde, 
sondern auch die Hunde Aufenthalt nehmen. Diese treiben jeden Tag die 
Herden zum Melken zusammen, und wie der Lappe keine andre Milch als 
die seiner Renntiere kennt, so kennt er auch kein andres Bett als ihr Fell. 
Seine Herden sind sein einziger Reichtum, und das Glück und Unglück hängt 
oft von dem Wohl und Wehe dieser Tiere ab. Wer Herr einer Herde von 
1000 Renntieren ist, gilt für einen reichen Mann. Wird dem Lappländer ein 
Kind geboren, so beschenkt er es mit einem Renntierkalbe; bekommt es den ersten 
Zahn, so wird es wieder mit einem solchen Geschenke bedacht. Aarl Gude. 
177. Zwei Hohenzollernreisen nach Jerusalem. 
Im Leben unsers zweiten und dritten Hohenzollernkaisers sind die 
Reisen, welche dieselben nach dem Heiligen Lande unternahmen, Ereignisse 
von hoher Bedeutung geworden. Nicht lange vor der Errichtung des neuen 
Deutschen Reiches besuchte Kaiser Friedrich III.. damals noch Kronprinz von
	        
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