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Österreich 1520.
Österreich wächst aus Deutschland heraus.
gewissen Absichtlichkeit aus jeder Verantwortlichkeit für den
Westen herausgezogen. Das begann bereits 1156, als es sich
nur bedingungsweise zu Kämpfen für das Reich verpflichten
liefs (privilegium majus), und auch die Habsburger, die 1282
Österreich-Steiermark erwarben, verharrten bei dieser ab¬
lehnenden Haltung. Selbst der rastlose Rudolf der Stifter
(1358/1365), der den Schweizer Besitz doch festzuhalten
trachtete, wufste dem Kaiser Karl IV. die Anerkennung der
Sonderstellung dieser östlichen Lande abzuringen (Erz¬
herzogtum) und durch die Erwerbung Tirols den Schwerpunkt
im Osten noch mehr zu verstärken. Das Habsburger Fürsten-
geschlecTrc erstrebte dann Landerwerbungen um jeden Preis,
namentlich durch den friedlichen und bequemen Weg der
Heirat. Das Wo aber wurde immer gleichgültiger: am wenig¬
sten waren dabei die deutschen Interessen mafsgebend. So
wurde Karl V. Herr über.ein spanisches Weltreich; das ent¬
schied seine Stellung zu Rom und zu Frankreich. Deutsch-
A. So sehr man beklagen mag, dafs die deutschen Mittel¬
staaten vorwiegend durch das Ausland und für dasselbe grofs
geworden, so ist doch ihre Gröfse und ihre Mannigfaltigkeit
in mancher Beziehung auch ein Vorzug unseres Vaterlandes.
Die Erhaltung ihrer Selbständigkeit aber und ihrer deutschen
Eigenart würde bei dem ununterbrochenen Vordringen der
Nachbarn im Osten und Westen nicht von Dauer sein, wenn
nicht eine stärkere deutsche Macht schützend und leitend
mit ihnen verbunden wäre. Für diesen Rückhalt konnten
nur Österreich und Preufsen in Frage kommen.
B. Für Österreich sprach das alte Ansehen und die lange
Gewöhnung. Es hatte „an Ehren und an Siegen reich“ das
Herankommen der Franzosen oft aufzuhalten versucht, tat¬
sächlich aber doch ununterbrochen von Westen nach Osten
zurückweichen müssen und zuletzt sogar sich mit einer
Österreich 1815
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Österreich zählt i. J. 1900:
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Slawen . . 19000000 = 46,5 *
Romanen . 3 500 000 = 8,5 „
Magyaren . 7 500 000 = 18,3 *
Sonstige . 300000 = 0,8 „
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land trat dagegen so zurück, dafs er es sogar nur äufserst selten
sah. Sein Erbe in diesem Lande verwaltete anfangs und erhielt
später sein Bruder Ferdinand I. (1556/64), der damit die deutsche
Nebenlinie der Habsburger begründete. Ihre Hauspolitik blieb
die alte.
Die folgenden Übersichten veranschaulichen die wachsende Ent¬
fremdung Österreichs.
1520. Um 1520 besitzt Österreich im Westen noch zahlreiche
Gebiete; die Schweizer, welche bereits 1353 den Bund der acht
alten Orte geschlossen, haben allerdings die alten Stammlande
mit der Habsburg an sich gerissen. Noch aber hat Habsburg den
Sundgau im Elsafs, die Ortenau (Appenweier) und den Breisgau in
Baden, Hohenberg (Rottenburg am Neckar) und die Landvogtei
in Schwaben (Altdorf) sowie die Markgrafschaft Burgau im heutigen
Bayern. Österreich, das noch immer nach Westen zu schauen
glaubte, nannte diese Besitzungen Vorderösterreich, wie es das
Gebiet am Bodensee Vorarlberg nannte. Dazu versuchte nun
Ferdinand I. das durch die Vertreibung des gewalttätigen Ulrich
frei gewordene Württemberg zu erhalten, ein Versuch, der noch
oft (1635, 1771) wiederholt wurde. Österreich ist also um diese
Zeit nicht blofs eine deutsche Macht, sondern zweifellos auch die
gröfste deutsche Macht, die in erster Linie Deutschlands Führung
beanspruchen konnte. Aber schon verschieben sich die Verhält¬
nisse durch den Ausbruch der Reformation und den Tod des kinder¬
losen Ludwig H. von Ungarn. Denn Ferdinand war der Schwager
des letzteren und seine Heirat mit dessen Schwester Anna wohl
die folgenreichste Ehe der „glücklich heiratenden“ Habsburger,
da sie die Ansprüche auf Böhmen-Ungarn einbrachte. Doch vor
dieser Erbschaft betrug die Zahl der Nichtdeutschen (Slowenen und
Italiener) schwerlich mehr, als eine halbe Million.
1648. Wesentlich anders ist das Verhältnis am Schlüsse des
30jährigen Krieges. Österreich hat im Westen aufser Württem¬
berg auch den Sundgau im Elsafs verloren. Dagegen hat es aus
der Erbschaft Ludwigs H. nach Norden Böhmen mit seinen Neben*
ländern Schlesien und Mähren und nach Osten hin das nordwest¬
liche Ungarn, also vorwiegend nichtdeutsche Länder gewonnen.
Gleichzeitig hatte in Deutschland die Reformation Österreich vielen
noch fremder gemacht und im Osten der unvermeidliche Kampf
mit den „Ungläubigen“ denselben Staat noch enger mit der
katholischen Sache verbunden. Den Weg die Donau abwärts weiter
zu verfolgen, sah Österreich sich um so mehr veranlafst, als auch
wetteifernde Nachbarstaaten nach derselben Beute des verfallenden
Türkenreiches haschten. (Rufsland, Venedig.) Um 1648 war Öster¬
reich noch etwa zur Hälfte deutsch.
1789. Österreich hat mit Schlesien viele deutsche Untertanen
an Preufsen verloren, dagegen bereits 1699 bezw. 1718 ganz Ungarn,
Siebenbürgen und das Banat gewonnen; dazu war noch neuerdings
Galizien aus der ersten Teilung Polens gekommen. (1772) War
somit schon in der Nähe der deutsche Besitz gegen den nicht¬
deutschen stark zurückgetreten, so steigerte das Herrscherhaus
noch seine Verpflichtungen in den fernsten Ländern, als es aus
der spanischen Erbschaft Belgien, Mailand, Neapel und Sizilien
erhielt (1714) und aufserdem 1737 für Lothringen Toscana ein¬
tauschte. Von deutschen Interessen konnte in dem damaligen Öster¬
reich kaum noch die Rede sein. Selbst das Bemühen Josephs H., der
die Stärkung des deutschen Elementes wollte und auch dazu Bayern
(1777), vielleicht auch Württemberg zu gewinnen trachtete, der
ferner in Ungarn die deutsche Sprache als Geschäftssprache ver¬
breiten und das Land durch Deutsche kolonisieren liefs (Banat),
hatte, wie so manche Projekte des unternehmenden Herrschers, nur
geringe Erfolge. Immerhin gewann er von Bayern das Innviertel.
1815. Die entlegenen aufserdeutschen Besitzungen sind wieder
aufgegeben, aber auch das Vordere Österreich in Baden, Württem¬
berg und Bayern. Der Staat ist jetzt nach den Ideen Metternichs
ein in sich geschlossener, geographisch abgerundeter Staat ge¬
worden, der vor den unruhigen Nachbaren im Westen sich nicht
mehr zu schützen braucht und im Innern durch die herrliche Donau
mit ihren Nebenflüssen seine wirtschaftliche Einheit erhält. Die
bunten Völkermassen sollen gegeneinander ausgespielt werden,
etwa die Slawen gegen die Magyaren und die Deutschen gegen
die Italiener. Hinzugekommen sind für die Vorderösterreicher die
(minder zahlreichen) Salzburger. Der Hauptzuwachs besteht in
Venetien, Dalmatien und Istrien. Ein Vorherrschen des Deutschen
scheint dem Staatsmann immer noch möglich. Aber von den
30 Millionen Einwohnern (1815) sind nur noch 7 Millionen Deutsche!
An den nationalen Bestrebungen der Masse der Deutschen,
selbst an der Nationalversammlung in Frankfurt, nimmt Österreich
den lauesten Anteil. Schleswig-Holstein wird 1864 mitbefreit, aber
doch nur, um — Preufsen dabei zu überwachen. Wirtschaftlich
war die Lösung längst vollzogen (-Zollverein) und die Verbindung
nur noch so locker, wie der Deutsche Bund selber, als 1866 der
Krieg die letzte und förmliche Scheidung brachte. Der um dieselbe
Zeit sich vollziehende Verlust von Lombardo-Venetien (1859 bezw.
1866) änderte das Völkerverhältnis nicht wesentlich, da 1879 dafür
Bosnien und die Herzegowina hinzugenommen wurden. Auch heute
verhalten sich die Deutschen zur Gesamtheit wie 1 zu 4 (41100000 E.,
davon 10 600000 Deutsche).
C. Österreich hat wichtige Aufgaben donauabwärts behalten.
Hier hat es seine Mission gesucht und gefunden, die ursprüngliche
aber in Deutschland dafür schon länger selbst aufgegeben.
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