Full text: Theoretisch-praktisches Handbuch für den Anschauungsunterricht

248 
Dkr ganze Körper besteht aus Ringen, etwa 100—145 an der Zahl, 
welche alle beweglich sind. 
Am Vorderende befindet sich der Mund; er wird vom ersten und 
zweiten Ringe gebildet. Der erste, größere Ring bildet die Oberlippe, der 
zweite und kleinere die Unterlippe; diese ist riisselartig verlängert. Der Mund 
dient übrigens nicht bloß zum Fressen, sondern auch zum Durchbrechen 
und Durchbohren der Erde. 
Füße sind an dem Regenwurm nicht zu entdecken; aber an der Unter¬ 
seite jedes Ringes stehen paarweise 8 kleine Warzen, welche mit kurzen, 
nach hinten gekrümmten Borsten besetzt sind. Diese bilden 8 Längsreihen 
und dienen dem Thiere statt der Füße, denn es kann sich aufrichten, sich ba¬ 
nnt anhalten und seine Fortbewegung, welche durch Ausdehnen und Zusam¬ 
menziehen des Körpers bewirkt wird, damit unterstützen. An großen Regen- 
würmern sieht man diese Borsten recht deutlich; sie sind stets nach unten ge¬ 
richtet und legt man einen Wurm auf den Rücken, so dreht er sich doch 
gleich so, daß die Borsten nach unten kommen. 
Zwischen den Ringen entdeckt man kleine Oeffnungen, welche theils 
Luft in den Körper führen, theils eine schleimige Feuchtigkeit absondern, die 
die Oberhaut schlüpfrig macht. 
Knochen hat der Regenwurm nicht, wohl aber einen Darm, der vom 
Munde bis gegen das Körperende geht, eine kugelförmige Erweiterung hat 
und von außen wegen seines Inhalts oft schwärzlich aussiebt. 
Der Aufenthalt des Regenwurms ist bekanntlich die Erde; in feuch¬ 
tem und fettem Erdreiche befindet er sich besonders wohl. Man trifft ihn 
zahlreich unter Brettern, Steinen, Baumwnrzeln und im Dünger. An der 
Oberstäche der Erde hält er sich nur bei feuchter und warmer Witterung auf; 
dann kömmt er des Nachts aus seiner dunklen Kammer hervor, um sich an 
der Feuchtigkeit zu erquicken und sonst Futter zu suchen (auch um seinen 
Unrath von sich zu geben, wovon man an warmen Morgen oft viele Häuf¬ 
chen, mit Erde bedeckt, sieht, und um sich zu paaren). Vor Sonnenaufgang 
kann man sie, um den Garten von ihnen zu säubern, in großer Menge 
auflesen; nur muß man leise auftreten, denn wenn sie auch weder sehen, 
noch hören, so nehmen sie doch die geringste Erschütterung wahr und ver¬ 
kriechen sich rasch. Enten und Hühner lesen sie des Morgens früh auch sehr 
sorgsam von den Beeten ab, ebenso Elstern und Raben; ihre schlimmsten 
Feinde sind aber Maulwürfe, Spitzmäuse und Igel. Gärtner und Fischer 
sammeln sie oft des Nachts, indem sie mit einer Laterne umhergehen; die 
Fischer benutzen sie als Flschköder. 
Von trockener Wärme und strengem Winterfrost ist der Regen¬ 
wurm kein Freund; er geht dann tiefer in die Erde hinein, im Sommer 
2—3 Fuß, im Winter 8—10 Fuß tief. Im Wasser, im Sonnenschein und 
im Froste stirbt er. Besonders schädlich ist ihm Salzwasser; wo man einen 
Eimer Salzwasser hingicßt, da kommen die Regenwürmer ängstlich hervor 
und sterben. 
Der Regenwurm ist ein schlechter Nußknacker, denn, was härter ist, als 
fette Erde, faulende Pflanzentheile, zarte Wurzeln und Blätter, 
das muß er stehen lassen. Deßhalb hat er es besonders auf die Wurzeln 
des Grases und Getreides abgesehen und richtet auf Aeckcrn und Feldern 
großes Unheil an, wenn ihn der Maulwurf und die Spitzmaus nicht stört. 
Im Herbste scheint er eine Vorahnung des Winters zu haben; wenigstens 
zieht er die schmalen Weidenblätter an den Stielen in seine Löcher, >o daß
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.