Erste Periode:
Das Zeitalter der Reformation und
Gegenreformation.
I. Die Reformation in Deutschland.
1. Reformation und Revolution.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts war die Herrschaft der Kirche
durch die zahlreichen und heftigen Angriffe auf ihr Leben und ihre
Lehre und durch die neuaufgekommene humanistische Weltanschauung
bereits auf das heftigste erschüttert, als das Auftreten Luthers einen
Kampf gegen dieselbe entfesselte, welcher ihre Einheit zertrümmerte
und einen großen Teil Europas vou der Herrschaft des Papsttnms
befreite.
Martin Luther, geboren am 10. November 1483 zu Eisleben,
war der Sohn eines Bauern, welcher sich später durch Fleiß und
tüchtige Kenntnisse im Hüttenwesen in Mansfeld zum wohlhabenden
und geachteten Bürger emporarbeitete; die derbe Kraft und Wildheit,
der Eigensinn und die Geradheit des Reformators sind das Erbteil
seiner bäuerlichen Herkunft. Seine erste Jilgend und Schulzeit
(in Mausfeld, Magdeburg und Eisenach) verlebte er in strenger
Zucht, bis er durch Frau Cotta den Segen einer sorgenfreien,
verfeinerten Häuslichkeit kennen lernte. Auf der Universität Erfurt,
wo er seit 1501 Rechtswissenschaft und Philosophie studierte und
1502 Baccalaurens, 1505 Magister wurde, lernte er den Humanismus
kennen, wurde aber weit mehr von der Scholastik beeinflußt.
Gewissensangst und Furcht vor der Prädestination trieben ihn 1505
ins Augustinerkloster zu Erfurt und zu strenger Askese; erst
der Einfluß des Generalvikars Johann von Staupitz, welcher
ihn auf die Leiden Christi hinwies, richtete ihn allmählich wieder
anf, und eifriges Bibellesen stärkte ihn. Die Priesterweihe 1507,
die Berufung an die neugegründete kursächsische Universität Witten¬
berg 1508, eine rege Thätigkeit im Dienste seines Ordens (Rom¬
reise 1510) überhäuften ihn mit Berufsarbeiten. Seine seit der
Promotion zum Doktor der Theologie 1512 ausgedehntere akademische
Lehrtätigkeit veranlaßte ihn zu genauerem Studium der Paulinischen