Full text: Deutsches Lesebuch für das mittlere Kindesalter beider Konfessionen

122. Friedrich Rotbart im Kyffhäuser. 123. Schwäbische Kunde. 189 
122. (127) Friedrich Rotbart im Kyffhäuser. 
Tief im Schoße des Kyffhäusers 
vei der Ampel rotem Schein 
Sitzt der alte Kaiser Friedrich 
An dem Tisch von Marmorstein. 
Ihn umwallt der Purpurmantel, 
Ihn umfängt der Rüstung Pracht; 
Doch auf seinen Augenwimpern 
Liegt des Schlafes tiefe Nacht. 
Vorgesunken ruht das Antlitz, 
dem sich Ernst und Milde paart; 
Durch den Marmortisch gewachsen 
Nt sein langer, gold'ner Bart. 
NRings wie eh'rne Bilder stehen 
Seine Ritter um ihn her, 
harnischglaͤnzend, schwertumgürtet, 
Aber tief im Schlaf wie er. 
Alles schweigt; nur hin und wieder 
Fallt ein Tropfen vom Gestein, 
Bis der große Morgen plötzlich 
Pricht mit Feuersglut herein, 
Bis der Adler stolzen Fluges 
Um des Berges Gipfel zieht, 
Daß vor seines Fittichs Rauschen 
Dort der Rabenschwarm entflieht; 
Aber dann wie ferner Donner 
Rollt es durch den Berg herauf, 
Und der Kaiser greift zum Schwerte, 
Und die Ritter wachen auf. 
Laut in seinen Angeln tönend 
Springet auf das eh'rne Thor, 
Barbarossa mit den Seinen 
Steigt im Waffenschmuck empor. 
Auf dem Helm trägt er die Krone 
Und den Sieg in seiner Hand; 
Schwerter blitzen, Harfen klingen, 
Wo er schreitet durch das Land. 
Und dem alten Kaiser beugen 
Sich die Völker allzugleich, 
Und aufs neu zu Aachen gründet 
Er das heil'ge deutsche Reich. 
G. Geibel. 
123. (128.) Schwabisehe Kunde. 
AMs Kaiser Rotbart lobesam 
Zum heil'gen Land gezogen kam, 
Da mubt' er mit dem frommen Heer 
Dureh ein Gebirge, wüst und leer; 
Daselbst erhbub sieh grobe Not, 
Viel Steine gab's und wenig Brot, 
Dnd maneher deutsehe Reitersmann 
Hat dort den Prunk sieh abgethan. 
Den Pferden war's s50 sehwach im 
Magen, 
Dast muhte der Reiter die Mähre 
tragen. 
Nun war ein Herr aus Schwaben- 
land, 
Von hohem Wuehs und starker Hand, 
Des Röblein war so krank und 
sehwach, 
Pr z2og es nur am Zaume nach; 
Er hätt' es nimmer aufgegeben, 
Und kostet's ihm das eigne Leben. 
80 blieb er bald ein gutes Stüek 
Hinter dem Heereszug zurück. 
Da sprengten plötzlieh in die Quer 
Funfzig türkisehe Reiter daher, 
Die huben an, auf ihn zu sechieben, 
Nach ihm zu werfen mit den 
Spieben. 
Der wackre Schwabe foreht sich nit, 
Ging seines Weges Sehritt vor 
Sehritt, 
Lieb sich den Sehild mit Pfeilen 
Und thüt nur spöttlieh 
spieken 
um sieh 
blieken,
	        
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