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er auf einer weiten Reise vergeblich nach dem Schicksal des Vaters
geforscht. Wie groß war sein Erstaunen und seine Freude, als
Odysseus sich ihm zu erkennen gab!
Im Bettlergewande begab sich Odysseus jetzt in sein eigenes
Haus. Da sah er denn selbst den frechen Übermut der Freier. „Fort
mit dir, du elender Bettler!" schrie einer ihn an, und ein Schemel
traf den Helden schwer an der Schulter. Dieser sagte aber nichts und
setzte sich an der Schwelle des Saales nieder. Am Abende, als die
Freier sich entfernt hatten, erkannte ihn eine alte Dienerin, EurtMa,
aber Odysseus winkte ihr, daß sie ja schweigen solle.
§ 4L Der Untergang der Freier. Am andern Tage schmausten
die Freier wie gewöhnlich. Nach der Tafel trat die Königin herein
und sprach: „Wohlan, ihr Männer! Wer mit dem Bogen des Odys¬
seus einen Pfeil durch die Ohre von zwölf Äxten schießt, der soll mein
Gemahl sein!" Der Bogen wurde gebracht. Einer nach dem andern
versuchte, ihn zu spannen, allein keiner bekam es fertig. Jetzt trat
der Bettelmann hinzu und sagte: „Laßt mich das Ding doch auch
einmal probieren!" Höhnisch lachten die Gäste. Aber ohne Mühe
spannte dieser den Bogen, setzte an, und im Nu schwirrte der Pfeil
zum Erstaunen aller durch die zwölf Äxte.
Nun war die Stunde der Vergeltung gekommen. Schon stürzte
der Frechste der Freier, von Odysseus tödlich getroffen, zu Boden.
Entsetzt sprangen die Gäste auf. Der Schütze aber rief: „Seht, so
büßet ihr mir für euren Frevel! Ich bin Odysseus der König!" Und
Pfeil auf Pfeil flog in den Haufen der Freier, bis sie alle erlagen.
§ 42. Das Wiedersehen. Die gute Göttin Athene gab jetzt
Odysseus sein wirkliches Aussehen zurück; aus dem Bettler wurde
wieder der stattliche Held. Als Penelope in den Saal hinabstieg,
konnte sie vor Staunen bei dem plötzlichen Anblicke ihres Gemahls
erst nicht zu sich kommen. Sie schrie vor Freude auf, und unbeschreib¬
lich war der Jubel des Wiedersehens. Am folgenden Morgen begrüßte
Odysseus auch seinen alten Vater L a 6 r t e §> , den er auf dem Acker
traf. Er schloß den lieben Greis in die Arme und küßte ihn unter
Tränen der Freude.
Nie mehr verließ Odysseus von jetzt an die Heimat, und noch
lange herrschte er in Frieden über das geliebte Jthaka.
Griechisches Volksleben in der Sagenzeit.
§ 43. Die älteste Zeit griechischer Gesittung. Trümmer von
gewaltigen Burgbauten und Gräberanlagen sind aus der ältesten
Zeit, über die wir sonst nichts Näheres wissen, noch erhalten. Den
späteren Griechen galten diese Bauten, die aus unbehauenen Stein-