Full text: Annalen des fränkischen Reichs im Zeitalter der Merovinger (Abt. 1)

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Anhang zum ersten Abschnitt. 
Das salische Gesetz und die älteste Verfassung der salischen Franken.1 
Die lex salica, eine Codification des altsalischen Strafrechts, ist das älteste 
uns erhaltene deutsche Rechtsbuch, zugleich das einzige, welches noch Bruchstücke 
der altgermanischen Verfassung überliefert. Die auf uns gekommenen Hand¬ 
schriften lassen 4 Recensionen des Textes unterscheiden: 1. Der älteste 
Text in 65 Titeln (pactus salicae, tractatus legis salicae, lex salica), nach den 
Eroberungen Chlodios, aber vor den grossen Eroberungen Chlodovechs und vor 
Annahme des Christentums entstanden (Waitz d. a. R. 75 ff., Stobbe I, 39). 
2. Derselbe Text erweitert; nicht vor 506 entstanden, nach v. Sy bei Jahrb. d. 
Ver. v. Altertsfr. i. Rheinl. IV, 1844 p. 79 — 87 zwischen 508 und 511. Anders 
Waitz d. a. R. 90 if. 3. Der Text in 99 Titeln mit neuen Zusätzen und anderer 
Anordnung, weit später (unter Pippin?) entstanden. 4. Der Text in 70 Titeln, 
auf 2 und 3 beruhend, in reinerer Sprache, nach handschriftlichen Angaben von 
Carl d. Gr. herrührend. — Von Wichtigkeit für die Entstehungsgeschichte der 
lex sind die in verschiedenen Handschriften beigefügten Prologe (Merkel 
p. 93 f.). Die 3 ersten überliefern nur Namen und Heimat der Männer, welche 
die lex aufgezeichnet, zwei längere (n. 4 und 5 bei Merkel) berücksichtigen auch 
die spätere Gesetzgebung. Der ausführlichere ist, wie Waitz nachgewiesen (d. a. 
R. 39 ff., G. G. A. 1850 p. 325 ff., vgl. Sohm 50 n. 39), auch der ältere, doch 
erst nach Chlothar I. (f 561) entstanden. In demselben heisst es: Gens Francorum 
inclita — dictaverunt (d.h. ‘hat verfasst’ vgl. Sickel acta Karol. I, 126) salica 
lege per proceris ipsius gentis, qui tune tempore eiusdem aderant rectores (d. h. 
die Hundertschaftsbeamten, die thungini aut centenarii. Waitz d. a. R. 70 f.); 
electi de pluribus viris quatuor (aus der Mehrzahl der proceres wurde also auf 
einer Wahlversammlung des ganzen Stammes die Redactionscommission erwählt.2) 
his nominibus Wisogastis Bodogastis Saligastis et Widogastis (diese Namen wie 
die folgenden sind ersichtlich fingiert, s. Waitz d. a. R. 68 f.) in loca nominancium 
Salchamae Bodochamae Widochamae, qui per tres mallos3 convcnientes omnes 
1) Handschriften, Ausgaben und Literatur der lex salica s. bei Stobbe I, 28 ff., ebd. 
32 ff. sind die Ergebnisse der Forschung über Entstehung, Inhalt und Geschichte der lex 
übersichtlich zusammengefasst. Grundlegend ist die Arbeit von Waitz ‘das alte Recht d. 
sal. Franken.’ 
2) Jedenfalls unter Vorsitz und Zustimmung des Königs. Insofern wird das Gesetz 
auch als ein königliches bezeichnet, wenn anders unter dem Ausdruck leges dominicae (tit. I, 1: 
si quis legibus dominicis mannitus fuerit) die lex sal. selbst zu verstehen ist. Vgl. Sohm 
55 n. 53. 
3) Auf drei Gerichts - oder Hundertschaftsversammlungen, nicht Stammesversammlungen, 
nach Sohm §. 4. Kann aber der Ausdruck bedeuten: Auf je 3 Versammlungen in jeder Hun¬ 
dertschaft? Sonst bliebe bei der Sohmschen Auffassung unerklärt, weshalb die Vereinbarung 
nur in drei, nicht in allen Hundertschaften stattfindet.
	        
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