Das karolingische Staatswesen. IY. Lehnswesen u. Immunität. Stand. Verhaltn. 623
tender Teil verdankte die persönliche Freiheit der Freilassung- aus der Knecht¬
schaft. Diese Freigelassenen blieben unter dem Schutze der Kirche, der sie
zuvor als Knechte gedient hatten, und waren ihr für das Gut, das ihnen zur
Bewirtschaftung übergeben war, zu Zins verpflichtet. Mit jenen früher Toll-
freien hatten sie die Namen ‘censuales,’ ‘censarii’ und ‘tributarii’ gemeinsam;1
sie unterscheiden sie von denjenigen Freien, welche Benefizien zu Lehen trugen
und daher zu den in dem TassallitätsVerhältnis begründeten Diensten verpflichtet
waren. In rechtlicher Beziehung ward zwar der Freie vom Freigelassenen noch
wohl unterschieden;2 doch lehren die für beide Klassen von Freien ohne beson¬
dere Betonung des Ursprungs ihrer Freiheit gebrauchten Benennungen,3 dafs mehr
und mehr ‘der Unterschied der Geburt und des Beeiltes’ in Tergessenheit geriet.
Die verschiedenartigsten Elemente umfafst der Name ‘ministeriales,’ doch bleibt
es unklar, ob derselbe in der Karolingerzeit schon einen förmlichen Stand bezeiclinete.
Das Wort wird bald von Freien gebraucht, welche ein Amt bekleiden, sei es im
Dienste des Hofes bez. des Staates, oder in dem der Bischöfe, Äbte und Grafen
als T er waiter auf gröfseren Gütern, bald von Hörigen und Unfreien der geistlichen
und weltlichen Grofsen, selbst von den Handwerkern auf den Höfen, die, indem
sie des Namens gewürdigt werden, aus dem Kreise ihrer Genossen herausgehoben
erscheinen.4 Besonderen Ansehens erfreuten sich diejenigen Freien (Kolonen)
bez. Unfreien, welche zu den Gütern des Königs oder Fiskus gehörten und
darum fiscalini genannt wurden. Als homines regii waren sie im Wergeid
(100 Solidi) den Liten gleichgestellt;5 mit dem Gute konnten sie weiter ver¬
geben werden, wobei ihnen mitunter wie der Name, so auch die besonderen
Torrechte ausdrücklich Vorbehalten wurden.6 Zwar gehörte alles, was sie zu
dem ihnen zugewiesenen Lande7 hinzugewannen, dem Fiskus, aber sie hatten
doch das Becht, innerhalb des Kreises ihrer Genossen über das in ihrem
Besitz befindliche Gut wie über Eigentum zu verfügen.8 Ton den Tollfreien
werden sie regelmäfsig unterschieden, aber die Kluft, die sie von diesen trennt,
ist nicht so grofs, wie die zwischen Freien und Unfreien. Selbst Benefizien
konnten an Fiskalinen übertragen werden; dann waren sie auch gleich den Toll-
1) Vgl. Waitz IV, 340 n. 1. 2.
2) Waitz IV, 341.
3) Waitz IV, 342 n. 2.
4) Vgl. Waitz IV, 345 f.
5) Capit. leg. rib. add. (803) c. 2 Leg. S. II, I, 117: Homo regius i. e. fiscaliiius, et aecclesiasticus vel
litus interfectus 100 solidis conponatur.
6) Vgl. die bei Waitz IV, 349 n. 4 mitgeteilte Urk. Karls.
7) Im capit. de viUis c. 50 Leg. S. H, I, 88 werden die fiscalini in solche eingeteilt, qui mansas habue-
rint und solche, qui hoc non habuerint.
8) Cap. miss. (803) c. 10 a. a. 0. 115: Ut nec colonus nec fiscalinus foras mitio (vgl. über die Bedeutung
des Wortes mitium = Bereich, Herrschaft aufser Du Cange, Gloss, ed. Favre V, 426 besonders Waitz H 1°
426 ff.) possint aliubi traditiones facere.