Full text: Von der Thronbesteigung Ludwigs des Frommen bis zum Tode Ludwigs des Kindes. Konrad (I.) von Franken (Abt. 2, 2. Hälfte)

714 Exkurs II. Bericht über den gegenwärtigen Stand der s. g. Annalenfrage. 
Worten mahnt Kaufmann an die Fruchtlosigkeit aller dieser Arbeiten über 
Existenz von Hofannalen und über die Verzweigung des Stammbaums ver¬ 
wandter Annalen. ‘Die Hypothese von Ranke, so schliefst er seinen lesens- 
und beherzigenswerten Aufsatz, hat der Wissenschaft einen grofsen Dienst 
geleistet. Die Annalen, auf denen unsere Kenntnis jener welthistorischen Zeit 
beruht, sind dadurch in eine scharfe Beleuchtung gestellt und unter derselben 
auf das sorgfältigste geprüft worden. Aber es sind auch die Schranken 
hervorgetreten, die sich unserer Kenntnis entgegenstellen — wer 
sie nicht achtet, dem wird das Licht der Hypothese zum Irrlicht. 
Wollen wir uns endlos mühen, das Vergebliche zu versuchen, während die 
wichtigsten Aufgaben der Lösung harren, die fruchtbarsten Felder deutscher 
Geschichtsforschung unbebaut liegen?’1 
1) Auch ein Aufsatz von Bernheim, Die Vita Karoli als Ausgangspunkt zur litterarischen Beurteilung 
des Historikers Einhard in den dem Andenken von Gr. Waitz gewidmeten historischen Aufsätzen seiner 
Schüler, Hannover 1886, S. 73 ff. streift die Annalenfrage. Bernheim geht von der V. Karoli aus, weist nach, 
wie eng sich Einhard in der formalen Disposition und Konzeption seiner Biographie des grofsen Kaisers an sein 
A orbild Sueton anschliefst, und untersucht darauf das Verhältnis Einhards zu seinen Quellen hinsichtlich der 
Wiedergabe des historischen Stoffes. Als durchaus sicher ist anzusehen, dafs die Vita die Annales laurissenses 
benutzte, das umgekehrte Verhältnis anzunehmon, dazu berechtigt auch die bekannte Äufserung Einhards von 
dem Mangel historischer Aufzeichnungen nicht, die vielmehr genau soviel wert ist, wie ähnliche Äufserungen 
Wipos und der Hrotsuit. Wie Einhard für die Disposition den Sueton, so exzerpierte er für die eigentlich histo¬ 
rischen Partieen seines Werkes bis 814 die Annalen in ihrer überarbeiteten Form, wenn er auch hier und da die 
ältere Fassung zu Rate zog: durch Aufnotierung von Schlagwörtern und ganzen Sätzen schuf er sich ein Gerippe 
der Erzählung. Was er in den Annalen nicht fand, fügte er aus eigner Kenntnis hinzu. Auf die Frage nach 
dem Stil Einhards übergehend, weist Bernheim darauf bin, wie verkehrt das von Dünzelmann, Manitius, 
Dorr u. a. eingeschlagene Verfahren sei, sich aus den doch nur hypothetisch der Verfasserschaft Einhards zuzu¬ 
weisenden Teilen der Annalen einen angeblich Einhardschen Stil zu konstruieren und danach den Stil Einhards 
in der Vita und den anderen wirklich von ihm herrührenden Schriften beurteilen zu wollen. Eine Charakteristik 
Einhards als historischen Schriftstellers, in welcher seine Leistungsfähigkeit auf ein bescheideneres Mafs zurück¬ 
geführt wird, als gemeiniglich angenommen wird, bildet den Schlufs der trefflichen Arbeit.
	        
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