Die deutsche Reichsverfassung unter den sächsischen und salischen Herrschern. 751
amt in den ihnen zugewiesenen Bezirken (Landgerichten). AVer mehr als eine
Grafschaft besafs, durfte doch nur in einer die gerichtlichen Befugnisse ausüben
und mufste für jede der anderen im Gericht einen Vertreter bestellen. Eigen¬
mächtige Änderungen an den Grenzen ihrer Gerichtssprengel waren den Grafen
untersagt, während die Könige fortwährend Exemtionen zu Gunsten von Kirchen
und Laien Vornahmen (Schröder S. 545).
Begelmäfsig hatte der Graf in seinem Bezirk dreimal jährlich Gerichts¬
sitzung — das echte Ding — abzuhalten. Die Zeit dieser Sitzungen war nicht
genau vorgesckrieben, doch läfst sich die Regel erkennen, dafs je zu Anfang
des Jahres (um oder nach Weihnachten) und um Ostern eine stattzufinden hatte,
während die Zeit für die dritte weit unbestimmter blieb (Pfingsten bis Martini.
Waitz VIII, S. 50 f.). Der Graf hielt sein Gericht nicht immer an derselben
Stelle. In der Begel gab es mehrere Dingstätten in jeder Grafschaft, die sich
an deren alte Einteilung anschlossen. In Sachsen waren von Karl dem Grofsen
je einige Gaue zu einer Grafschaft vereinigt worden; in Franken und Schwaben
entsprachen die Grafschaften im Allgemeinen den alten Gauen und zerfielen in
Hundertschaften. Drei Dingstätten in jeder Grafschaft werden die Regel gebildet
haben. Der Graf bereiste die einzelnen Bezirke, die zu seinem Sprengel ge¬
hörten. Doch bezog sich die Zuständigkeit des einzelnen Gerichts stets auf die
ganze Giafschaft. Eine Sache konnte an der einen Dingstätte angefangen und
an der ändern zu Ende geführt werden (Schröder S. 545 f.). Die Gerichts¬
stätten lagen wohl meist unter freiem Himmel und waren durch Gebüsch, Steine
oder Galgen kenntlich gemacht (Waitz VIII, S. 54 f.).
Am Landgericht waren alle Vollfreien der Grafschaft dingpflichtig, d. h.
verpflichtet die Gerichtsversammlung zu besuchen, sich an der Rechtsprechung
zu beteiligen und selbst Rede zu stehen und Recht zu nehmen.1 Doch scheint
die Berechtigung zur Mitwirkung bei der Rechtsprechung, für die verschiedenen
Klassen der Freien nicht gleich gewesen zu sein. Die Fähigkeit zum Schöffen¬
amte war an abgabenfreien Grundbesitz von bestimmter Gröfse gebunden. Aber
die Ausübung dieses Amtes legte vielen Bauern eine zu schwere Last auf,
sodafs sie durch Zahlung einer Vogteisteuer sich dieser Verpflichtung entledigten.
Diese sogenannten Pfleghaften und diejenigen Freien, die als Landsassen
fremden Boden gegen Zins erhielten, unterlagen nur in Fällen der hohen Ge¬
richtsbarkeit den Landgerichten. Die Schöffenbarkeit war am Ende unserer
Periode wohl in den meisten Gegenden Deutschlands den ritterlichen Freien
ausschliefslich geblieben.2 Doch finden wir hier und da schon Ministerialen im
1) Planck, Das dt. Gerichtsverfahren im M.-A. I, S. 52 ff.
21 Scilroder! RG-2 S. 548, v. Zallinger, Die Schöffenbarfreien. Ob Schröder die Ergebnisse der
ZaUmgerschen Untersuchungen mit Recht auf Ostfalen, Thüringen und Holstein beschränkt, erscheint doch
rac ic . Uber den bayerischen Schöffenstand s. Rosenthal, Gerichtswesen u. Verw. Bayerns I, S. 66ff