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unangemessen, sie in Wände einzuschließen oder irgend in
Gestalt menschlichen Antlitzes abzubilden. Sie weihen
Haine und und Gehölze und rufen unter göttlichem
Namen jenes unerforschliche Wesen an, das nur ihr ehr¬
furchtsvolles Gemüt erkennt.
io. Wahrzeichen und Lose sind ihnen wichtig, wie
je einem Volke. Die Art zu losen ist einfach. Eines
Fruchtbaumes abgehauener Zweig wird in Reiser zer¬
schnitten, und, mit gewissen Merkmalen bezeichnet, auf
ein weißes Tuch, wie sichs trifft, hingeworfen. Dann
verrichtet bei öffentlichen Beratungen der Priester, bei
besonderen der Hausvater ein Gebet zu den Göttern,
blickt zum Himmel empor, hebt drei Reiser nacheinander
auf und deutet die zuvor eingeschnittenen Zeichen aus ).
Sind diese ungünstig, so kommt an demselben Tage die¬
selbe Sache nicht weiter in Beratung; sind sie günstig,
so ist noch die Bestätigung durch Wahrzeichen erforder¬
lich. Man kennt hier ebenfalls die Deutung des Fluges
und Geschreies der Vögel. Eigen ist diesem Volk, auch
von Pferden Weissagungen und Vormahnungen herzunehmen.
Man unterhält öffentlich in jenen Gehölzen und Hamen
weiße, von keiner irdischen Arbeit berührte Pferde.
Indem diese vor einen heiligen Wagen gespannt werden,
begleitet sie der Priester und der König oder "Vorsteher
des Gebietes und beobachtet ihr \\ iehern und Schnauben.
Kein Wahrzeichen steht in höherem Ansehen, nicht nur
beim Volke, sondern auch bei Vornehmen, bei Priestern.
Denn sich selbst betrachten sie als Diener, diese als Ver¬
traute der Götter.
') Die Merkmale oder Zeichen waren die sog. Runen
(runa = Geheimnis; vgl. raunen), die Zweige oder Stäbchen
meist von Buchen. An den ganzen Vorgang erinnern noch
die Ausdrücke Buch, Buchstabe, entwerfen (hinwerfen) und
lesen (auflesen).