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die schwer am Nervenfieber erkrankt war, mußte eiligst mit
ihren Kindern in strengster Winterkälte nach Memel fliehen.
Sie schrieb bald darauf in ihrer Verzweiflung an ihren Nater:
„Mit uns ist es aus, wenn auch nicht für immer, doch für
jetzt; aber ich glaube fest an Gott und bin der Hoffnung,
daß auf die jetzige böse Zeit eine bessere folgen wird." Diese
Zeit kam bald, aber die unglückliche Königin erlebte sie nicht
mehr; sie starb am 19. Juli 1810, umgeben von ihrem Ge¬
mahl und den beiden ältesten Prinzen, Friedrich Wilhelm und
Wilhelm. Ihr Gemahl wußte, daß die Hauptursache ihres
Todes ihr Schmerz über das Unglück und die Erniedrigung
des Vaterlandes und der Königsfamilie war und drückte dies,
als man ihm Hoffnung auf die Erhaltung ihres Lebens
machen wollte, mit den Worten aus: „Ach, wenn sie nicht
mein wäre, würde sie leben; aber da sie meine Frau ist,
stirbt sie gewiß." Die Edle, der Stolz des Preußenvolkes,
ruht in einer Marmorkapelle in Charlottenburg.
Prinz Wilhelm durfte nicht wie sein älterer Bruder deu
Vater in dem Freiheitskriege 1813 begleiten, weil er bis zu
feinem 16. Jahre kränklich und schwächlich war. Aber nach
der Schlacht bei Leipzig zog er mit gegen die Franzosen. In
der Schlacht bei Bar sur Aube (Bar ßür Ohb) kam er zuerst ius
Feuer. Sein Vater, der sich mit beiden Prinzen dem heftigsten
Gewehrsener ausgesetzt hatte, sandte ihn mit dem Aufträge fort,
sich nach einem russischen Regimente zu erkundigen, das große
Verluste erlitt, aber tapfer stand hielt. Sofort sprengte der
juuge Prinz an das Regiment heran, fragte nach dem Namen,
merkte sich die Zahl der Verwundeten und ritt unbefangen und
den Kugelregen nicht achtend zum König zurück. Für dies
brave Verhalten verlieh ihm der Vater das eiserne Kreuz
und der Kaiser von Rußland den Georgsorden. Nachdem der
Krieg beendet war, wurde der Prinz zur Konfirmation vor¬
bereitet. In seinem von ihm selbst abgefaßten Glaubens¬
bekenntnisse schrieb er: „Meine Kräfte gehören der Welt, dem
Vaterlande. Ich will daher unablässig in dem mir ange¬
wiesenen Kreise thätig sein, meine Zeit auf das beste an¬
wenden und soviel Gutes stiften, als in meinem Vermögen
steht." Das hat er treulich gehalten. Seine besondere Sorg¬
falt widmete er dem Heere. Nachdem er sich mit der Prin¬
zessin Angusta von Sachsen-Weimar vermählt hatte, lebte
er meistens in Koblenz. Im Jahre 1849 dämpfte er einen