Full text: Vaterländische Geschichte

er: „Vetter, ihr habt das getan, ihr werdet noch mehr tun; wer sich selbst 
besiegen kann, der ist zu großen Unternehmungen fähig." Der Aufenthalt 
in dem durch Handel und Gewerbe blühenden Holland rief in ihm den 
Entschluß hervor, auch fein gesunkenes Land dereinst zum Wohlstand zu heben. 
Sein Regierungsantritt. Als Jüngling von zwanzig Jahren kam 
Friedrich Wilhelm zur Regierung. Traurig aber sah es in den ' branden- 
burgisch- preußischen Landen ans. Länger als zwanzig Jahre wütete schon 
der Krieg, welcher als der Dreißigjährige bekannt ist, und noch war an ein 
Ende desselben nicht zu deukeu. Bereits in den Knabenjahren hatte Friedrich 
Wilhelm oft vor den Kriegsgefahren von Schloß zu Schloß fliehen müssen. 
Die ganze Mark war verwüstet, und wo früher blühende Dörfer gestanden 
hatten, lagen Trümmer und Schutt, zwischen denen Unkraut wucherte. 
Wohl kehrten mit dem beginnenden Frühling der Storch und die Schwalbe 
in die Heimat zurück; doch fanden sie nicht das gastliche Dach, an welchem 
sie ihr Nest gebaut hatten. Die Saatfelder lagen brach unb wüste, weil 
es an Menschen fehlte, biefelben zu bearbeiten. Der Krieg hatte viele 
Taufende dahingerafft. 
Das Heer. Der Kurfürst war vor allen Dingen daraus bedacht, 
ein stehendes Kriegsheer zu bilden, das ihm stets treu bliebe. Zunächst 
verlangte er von den vorhandenen Truppen, daß sie nicht wie früher dem 
Kaiser, sondern nur ihm den Eid der Treue leisteten. Wer sich dessen 
weigerte, wurde entlassen. So bildete er zunächst ein Heer von 3000 Mann, 
das sich nach und nach auf 8000 vergrößerte. Mit Schweben schloß er 
einen Waffenstillstand, um baburch sein Saub vor ferneren Verheerungen 
des Dreißigjährigen Krieges zu schützen. 
Derfflinger. In militärischen Sachen hatte Friedrich an dem 
General Derfflinger eine große Stütze. Dieser war in seiner Jugend arm 
und kam einst bei Tangermünde an die Elbe, um nach Berlin zu wandern, 
wurde jedoch von dem Schiffer zurückgewiesen, weil er das Fährgeld nicht 
zu zahlen vermochte. Er sah aber, daß viele Kriegsleute umsonst übergesetzt 
wurden, und faßte darauf den Entschluß, auch unter die Soldaten zu gehen. 
Also warf er sein Bündel in den Strom und ließ sich als Reiter anwerben. 
Wir finden ihn später bei den Schweden als Obristleutnant, und er 
kämpfte tapfer bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Alsdann wurde 
er mit reicher Belohnung entlassen und lebte nun eine Zeitlang in der 
Mark. Darauf rief ihn der Kurfürst in feine Dienste, und Derfflinger 
zeichnete sich so aus, daß er sogar Feldmarschall wurde. Doch fehlte es 
ihm auch nicht an Neidern, die da sagten, er sei früher ein Schneider*) 
gewesen. So fragte einst der französische Gesandte bei der Tafel des 
Kurfürsten, ob es wirklich wahr sei, daß in Brandenburg ein General diene, 
der ehemals Schneider gewesen sei. Da sprang Derfflinger sogleich zornig auf 
und rief: „Hier ist der Mann, von dem das gesagt wird, und hier (auf 
den Degen schlagend) ist die Elle, mit welcher ich die Schurken nach der 
Länge und Breite messe." 
Der Schwedisch- polnische Krieg. Friede zn Oliva. Zwischen 
dem Könige Johann Kasimir von Polen unb Karl Gustav von Schweden 
brach ein Krieg aus. Da der Kurfürst die polnische Lehenshoheit über das 
Herzogtum Preußen (Ostpreußen) abschütteln wollte, so trat er während 
des Kneges auf die Seite Schwedens. Kasimir drohte ihm dafür mit 
ewigem Kerker, wo weder Sonne noch Mond scheinen sollte. Doch in der 
*) Daß Derfflinger in feiner Jugend ein Schneider war? ist nicht erwiesen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.