2, 6. Karl V. und Franz I.
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Zu gleicher Zeit mit Karl herrschten Franz I. von Frankreich
und Heinrich VIII. von England, welche bei aller sonstigen Verschie¬
denheit mit ihm den gleichen hochfahrenden despotischen Sinn und
gewaltigen Herrscherwillen hatten. Gerade deshalb gerieten Karl und
Franz mit einander in Kampf, welchen eine unverkennbar durch die
Gleichheit ihrer Bestrebungen hervorgerufene Eifersucht anfachte und
Ehrgeiz und Ruhmsucht gewaltig in die Länge zog.
Vier Kriege führte Karl mit Franz. Die Veranlassung
gab das reiche Herzogtum Mail and. Franz hatte dieses noch zu Leb¬
zeiten Maxmilians in der heißen Schlacht bei M a r i g n a n o 1515 dem
Herzog MaximilianSforza abgewonnen. Kaiser Karl, welcher Mai¬
land, das alte deutsche Lehen, nicht länger in den Händen seines
tapferen aber leichtsinnigen Gegners sehen mochte, griff zu den Waffen.
Auf seiner Seite standen der Papst Leo X. und Heinrich VIII., und
während des Kampfes trat sogar der Connetable, Herzog Karl von
Bourbon, einer der tapfersten französischen Generale, zu ihm über,
weil er durch die Ränke der Königin Mutter von Frankreich um den
größten Teil seiner Erbgüter gebracht worden war. Das französische
Heer wurde in der ersten Schlacht an der Sesia besiegt und zurück¬
gedrängt; der edle Ritter Bayard (le Chevalier sans peur et sans
reproche) fiel. Bald erholte sich Franz wieder und eilte selbst nach
Pavia; die Schweizer standen in seinem Solde. Allein die deutschen
Landsknechte unter Georg von Frundsberg und Sebastian
Schärtlin brachten ihm bei Pavia 1525 eine entschiedene Nieder¬
lage bei. Franz selbst geriet nach tapferer Gegenwehr, aus mehreren
Wunden blutend, in Gefangenschaft und konnte wohl an seine Mut¬
ter schreiben: „Madame, alles ist verloren, nur die Ehre nicht!
Karl zeigte große Mäßigung, als er in Madrid die Siegesbot¬
schaft empfing. Er ließ dem gefangenen König die Freiheit anbieten,
wenn er Burgund abtreten, auf Italien verzichten und dem Herzoge
von Bourbon feine Besitzungen zurückgeben wolle. Allein darauf ging
Franz nicht ein sondern verlangte, nach Spanien geführt zu werden,
weil er von einer persönlichen Zusammenkunft mit Karl günstigere Be¬
dingungen zu erlangen hoffte. Karl verweigerte ihm aber jede Unter¬
redung, und aus Mißmut verfiel Franz in eine bedenkliche Krankheit,
von der er jedoch bald genas. Die Gefangenschaft war ihm uner¬
träglich, und darum unterzeichnete er unter heimlichem Protest den
Frieden zu Madrid 1526, worin er Karls Forderungen nachgab
und dessen Schwester Eleonore zu heiraten versprach. Kaum befand
sich Franz in Freiheit, so ließ er sich vom Papste Klemens VII. seines