Object: Lesebuch für obere Classen in katholischen Elementarschulen

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ihren Kriegsgott, als den mächtigen Lenker der Schlachten und als 
den erhabenen Schützer in jedwedem Kampfe. Durch ihn nur trugen 
sie Sieg und Beute davon, und ohne ihn gab es für sie keinen Him¬ 
mel; denn nur den gefallenen Helden öffnete Odin die ewigen Räume 
des Himmels. Dort lag Walhalla, eine große, schöne Stadt mit 
300 Thoren und 50 Pforten. Hier war der Wohnsitz tapferer Männer, 
hier führten sie ein herrliches Leben; denn sie konnten ihren liebsten 
Gewohnheiten folgen, ihre Lieblingswünsche erfüllen. 
Sehr eigenthümlich und ihren Sitten entsprechend waren die Vor¬ 
stellungen der alten Deutschen von dem Zustande jenseits. Nach die¬ 
sen belustigten sich dort die Helden mit Gefecht, tranken köstliches Bier 
aus den Hörnern oder wohl gar aus den Hirnschädeln erschlagener 
Feinde, wie sie es oft auch im Leben thaten. Daher wurden bei Be¬ 
gräbnissen dem Todten die Waffen mitgegeben, man verbrannte sein 
Pferd und seine Hunde, auch manchmal Knechte mit dem Leichnam 
des Herrn, damit er sich deren auch in der anderen Welt bediene. 
Auch gab man den Todten Geld mit, damit sie in der anderen Welt 
und auf der Reise dahin keinen Mangel leiden möchten. 
Außer diesen Göttern wurde auch die Göttin Hertha, Mutter der 
Erde, als Geberin alles Segens in Feld und Wald verehrt. Auf 
der Insel Rügen in der Ostsee erhob sich mit ihren hohen Wällen die 
Herthaburg; sie war der Sitz der Göttin. Uralte Buchen bildeten 
rings herum jenen heiligen Hain, dessen Innerstes nur der Fuß des 
Priesters betrat. Hier versammelten sich die freien, den verschiedenen 
deutschen Völkerschaften angehörigen Männer, um das Frühlingssest 
zu Ehren ihrer Göttin zu feiern. Schon ist diese — das haben die 
Priester geschaut und verkündigt — herabgestiegen auf ihren Wagen 
im heiligen Hain; schon haben die Priester den Wagen gespannt mit 
den geweihten Kühen und ihn bedeckt mit köstlichen Teppichen. Er¬ 
wartungsvoll steht die Menge. Da nahet der Zug mit dem Wagen 
der Göttin, welche, unbemerkt von dem Volke, sich freut über ihre 
Schövfung und über die Zeichen der Verehrung, die man ihr zollt. 
So fährt sie auf der Insel umher. Da waren denn die Tage fröhlich 
und die Orte festlich, welche die Göttin mit ihrer Gegenwart beglückte. 
Man zog in keinen Krieg, ergriff keine Waffe zum Kampfe, alles 
Eisen ruhte, man kannte nur Frieden und Freude und liebte sie allein, 
bis die Göttin, des Umgangs mit den Sterblichen müde, vom Prie¬ 
ster in den Tempel zurückgeführt war. Die Priester, Druiden genannt, 
standen in hohem Ansehen; sie bekeideten zugleich das Richteramt und 
hatten selbst über den freien Mann Gewalt. 
2. Hermann, Germaniens Befreier. 
(9 Jahre nach Christi Geburt.) 
D^rch einen gefährlichen Aufruhr, der in Dalmatien und 
Pannonien (dem heutigen Ungarn) entstanden war, wurde Tibe-
	        
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