Aus der deutschen Vorzeit.
31
und sich an die Seiten des Saales aufzustellen, damit die fallenden
Balken fie nicht erschlügen. Nur 600 überlebten den Brand. Jetzt
gebot Etzel seinem Vasallen Rüdiger den Kampf mit den Burgunden
zu bestehen; vergeblich bot dieser, um den Burgunden die Treue nicht
zu verletzen, dem Könige all sein Gut an, er mußte mit seinen Mannen
eindringen. Die Burgunder erschracken. Rüdiger und alle seine Leute
erlagen, und großes Wehklagen erhob sich in Etzels Hofburg, als man
Rüdigers Leiche heraustrug. Von den Burgunden blieben zuletzt nur
Günther und Hagen. Jetzt trat Dietrich von Bern in den Saal, ge¬
folgt von Hildebrand. Hagen antwortete trotzig auf Dietrichs Klagen
und Vorwürfe und wies höhnisch die Aufforderung zur Ergebung zurück.
Doch verwundete ihn Dietrich, umschloß ihn mit den Armen und führte
ihn zu Chriemhilden, welche ihn binden und einkerkern ließ. Gleiches
Loos traf den König Günther. Chriemhilde begab sich hierauf zu Hagen
und forderte von ihm den Hort der Nibelungen. Hagen erklärte, er
werde nicht verrathen, wo der Schatz sei, so lange noch einer seiner
Herren lebe. Darauf ließ Chriemhilde ihrem Bruder Günther den
Kopf abschlagen und brachte ihn selber zu Hagen. Dieser aber war
froh und sagte: „Nun weiß kein Mensch auf Erden, wo der Hort ist,
als ich — und ich werde es nie verrathen." Zornig riß Chriemhilde
das Schwert Siegfrieds, welches Hagen geraubt hatte, aus der Scheide
und schlug den Urheber alles Leides nieder. Diese unweibliche That
brachte den alten Hildebrand in Wuth, und er schlug der Königin das
Haupt ab.
Dietrich und Etzel klagten laut über das blutige Ende des Festes
und den Tod so vieler tapferer Helden.
Ich enkan iu niht bescheiden waz sider da geschah:
Wan riter unde vrouwen weinen man da sach,
Dar zuo die edelen knechte ir lieben Munde tot.
Hie hat daz maer ein ende: ditze ist der Nibelungen not.
3.
Die andere große deutsche Heldensage, deren Hauptinhalt wir hier Gudrun
mittheilen wollen, ist die Gudrun. König Hettel von Dänemark lebte
glücklich und in Freuden mit der schönen Hilde von Irland. Sie
bekamen zwei Kinder, den jungen Ortwin, welchen der riesenhafte Wate Um die schöne
erzog, und Gudrun, die schönste und lieblichste aller Jungfrauen. Kaum Gudrun wer-
war das schöne Kind herangewachsen, so warben edle Helden um ihre Ritter.
Hand. Zuerst erschien Siegfried von Morelant und ward abgewiesen.
Ihm folgte Hartmuth von der Normandie, dem der eigne Vater ab-