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Aus der deutschen Vorzeit.
Das Haupt des Varus schickte Hermann dem Marbod zu, welcher es
nach Rom sandte.
Rom erschrak gewaltig, als die unerwartete Kunde vom Unter¬
gänge des Varus und seiner Legionen einlief. Schon fürchtete Kaiser
Augustus für die Erhaltung des Reichs, er zerriß sein Gewand, rannte
wider die Thüren und rief wiederholt aus: „Varus, Varus, gieb mir
meine Legionen wieder!" Seine deutsche Leibwache verlegte er von
Rom nach Korsika und beruhigte sich erst, als er sah, daß die Ger¬
manen den Rhein nicht überschritten.
§. 4. Fortsetzung ller äampfe. lemianns iintt HatiMs §nd>.
Während Hermann Feuer und Flammen auf die römischen
Häupter schleuderte, diente sein eigener Bruder Flavus den Römern
und geriet darüber mit ihm in tiefen Zwiespalt. Auch Segest
haßte den jungen Cheruskerfürsten und bewies sich als einen lauten
Verehrer Roms und seiner Herrschaft. Hermann hatte nämlich schon
vor der Varusschlacht bei Segest um dessen treffliche Tochter Thus¬
nelda angehalten, die ihm zugethan war, Segest hatte sie ihm
aber verweigert. Hermann hatte deshalb Thusnelda entführt und
sie als eheliches Weib heimgebracht. Darüber ergrimmt, hatte
Segest den Cherusker zu verderben getrachtet und ihn bei Varus
verdächtigt, aber nie Glauben gefunden. Auch nach der Niederlage
des Varus nährte Segest unversöhnlichen Groll gegen seinen Eidam,
überfiel denselben und schlug ihn in Ketten. Aber Hermann wurde
bald wieder befreit. Nun raubte der tückische Gegner Thusnelda
ihrem Gemahle und bewachte sie sorgsam im väterlichen Hause. Da
forderte Hermann seine Freunde zur Rache gegen Rom und Segest
auf. Dieser sandte Eilboten an die Römer über den Rhein und er¬
suchte sie dringend um Beistand.
Als Tiberius 14 n. Chr. römischer Kaiser geworden war, ließ
er durch den von ihm adoptierten, ältesten Sohn seines Bruders
Drusus, Germanikus, den Kampf gegen die Germanen von neuem auf¬
nehmen, um die römische Waffenehre daselbst wiederherzustellen.
Germanikus machte 14—16 n. Chr. vom Rheine aus drei Züge gegen
die Germanen. Er überfiel zuerst die Marser, dann drang er bis zum
Teutoburger Wald vor, wo er die Gebeine der unter Varus ge¬
fallenen Römer bestattete. Als Hermann mit den unterdessen ver¬
einigten Cheruskern, Chatten und Brukterern erschien, zog Germanikus
nach dem Rhein zurück. Im folgenden Jahre brach er zum dritten¬
mal auf, diesmal mit feiner ganzen Heeresmacht (100 000 Mann)