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Mittel-Europa im Jahre 1250.
Das Jahr 1250, Friedrichs II. Todesjahr, zeigt uns
Deutschland bereits in eine grosse Anzahl reichsunmittel¬
barer Territorien zersplittert. Es ist dies die Folge des Ver¬
falles der Gauverfassung und der Zerschlagung der grossen
Herzogthümer. Auch in Schwaben und Franken ist die
herzogliche Macht fast bedeutungslos geworden, so dass sie
bald darauf mit dem Untergange der Hohenstaufen wie von
selbst erlischt. Die Reichsunmittelbarkeit der meisten klei¬
neren aufgekommenen Dynasten wird freilich von den grös¬
seren Reichsfürsten, in deren Macht- oder Amtsbereich sie
liegen, bestritten, obwohl sie diesen nicht unterworfen, son¬
dern, soweit letztere herzogliche Rechte besitzen, nur unter¬
geordnet sind. Jedoch konnte bei der grossen Unsicher¬
heit der damaligen dahin einschlagenden Verhältnisse auf
die behauptete oder wirklich besessene Lehnsherrlichkeit bei
der Wahl der Farben keine Rücksicht genommen werden,
so dass auch die kleineren Territorien trotz vielfach un¬
sicherer Reichsunmittelbarkeit ihre eigene Farbe erhalten
haben. Es war dies um so mehr angezeigt, als es den
grösseren Reichsfürsten zum Theil erst in viel späterer Zeit,
in vielen Fällen bis zum Untergang des deutschen Reiches
gar nicht gelang, ihre wirkliche oder vermeintliche Lehns¬
herrschaft über die Gebiete solcher kleinerer Reichsdynasten
in Territorialherrschaft umzuwandeln*).
Der Umstand, dass während der Herrschaft der Hohen¬
staufen und mit ihrem Untergange die Zersplitterung Deutsch¬
lands, sein Uebergang aus einem Gesammtreiche in einen
zusammengesetzten Staatskörper endgiltig entschieden wird,
ist um so mehr zu bedauern, als bereits um diese Zeit das
benachbarte Frankreich anfangt, aus einer Anzahl ein¬
zelner Provinzen und kleinerer Lehnsstaaten zu einem Ge-
sammtstaate überzugehen. Es ist dies die Folge der De-
müthigung der grossen Vasallen, besonders der Grafen von
Toulouse, deren weite Länderstrecken nach den Albigenser-
kriegen der Krone anheimfallen, aber auch des Umstandes,
dass auch andere bedeutende Landschaften nach und nach
mit der Krone vereinigt und entweder gar nicht wieder oder
doch nur an Mitglieder der königlichen Familie als eine Art
Ausstattung verliehen werden (Apanagen), so dass sie früher
oder später doch wieder an die Krone zurückgelangen.
Dieselbe Zersplitterung wie in Deutschland ist auch in
den andern Theilen des Reiches eingetreten, in Burgund
(und hier noch weit früher) und in Italien. Hier gilt das
Patrimonium Petri seit Innocenz III. als vom Reiche un¬
abhängig, ebenso seit dem Reichstage von Eger im Jahre
1213 die Romagna, die Mark Ancona und das Herzogthum
Spoleto; nichts desto weniger wird der souveräne Besitz
dieser Landschaften während der Regierung Friedrichs II.
dem Pabste bestritten und sie sind beim Tode dieses Kaisers
grösstentheils in den Händen der Kaiserlichen.
Im Nordosten sehen wir im Jahre 125(f das Reichsgebiet
gegen das Jahr 1150 ansehnlich erweitert; durch die Er¬
oberungen des deutschen Ritterordens (bis zu den Grenzen
Samlands und Galindiens bereits um diese Zeit) ist die
Reichsgrenze sogar über die untere Weichsel vorgeschoben
worden.
No. 6. /
Deutschland beim Tode Kaiser,Karls IV. im Jahre 1378.
Das Streben der deutschen Kaiser, das kaiserliche An¬
sehn innerhalb des Reiches durch eine möglichst grosse
*) Der Besitzstand der im Jahre 1247 ausgestorbenen Landgrafen
von Thüringen ist auf dieser Karte noch ungetheilt dargestellt, da
die endgiltige Auseinandersetzung zwischen Meissen und Brabant (Hes¬
sen) erst 1263 erfolgte.
Hausmacht zu begründen und zu sichern, hat die Ansamm¬
lung bedeutender Ländercomplexe in den Händen einzelner
Geschlechter innerhalb des Reiches zur Folge. Die Habs¬
burger haben nach der kurzen böhmischen Zwischenherrschaft
Otakars die Erbschaft der österreichischen Herzoge aus dem
babenbergischen Geschlechte angetreten, aber zu Oesterreich
und Steyrmark auch Kärnten, Tirol und den Rest von Krain
erworben; dazu ist ihnen der obere Elsass und der Breis¬
gau zu Theil geworden und noch besitzen sie in Schwaben
und Helvetien, wo der Bund der Eidgenossen sich aus¬
zudehnen beginnt, bedeutende Landestheile. —
Auch Kaiser Ludwig IV. (von Baiern) hat es trefflich
verstanden, das bairische Hausgut zu mehren, er erwirbt
seinem Hause Holland, Seeland, Hennegau, Tirol und die
Mark Brandenburg (mit der Lausitz), jedoch gehen Tirol
und Brandenburg den Wittelsbachern wieder verloren. —
Am grossartigsten aber haben die Luxemburger für ihre
Hausmacht gesorgt, besonders Karl IV.; er erwirbt zu
Böhmen und Mähren, was schon sein Vater erheirathet,
ganz Schlesien, was auf diese Weise mittelbar mit dem
deutschen Reiche verknüpft wird*), die Lausitz und das
Kurfürstenthum Brandenburg, während im Westen Deutsch¬
lands sich die Herzogthümer Luxemburg, Brabant und Lim¬
burg im Besitze einer luxemburgischen Nebenlinie befinden.
Dazu hat Karl IV. einen Theil der Oberpfalz erworben und
zahlreiche Lehnsverbindungen durch das ganze Reich hin¬
durch geknüpft, so dass es fast schien, als ob durch all-
mähliges Aufsaugen der übrigen Reichsländer von Seiten
Böhmens die Einheit Deutschlands begründet werden sollte.
Hat sich durch die Erwerbung Schlesiens durch Böhmen
und des Landes jenseits der Oder durch Brandenburg, bei¬
der auf Kosten Polens, das Reichsgebiet nach Osten hin ver-
grössert, so gehen im Südwesten durch die allmähliche Zer-
bröckelung des arelatischen Reiches grössere Gebiete (Lyon,
Dauphiné und andere) an das erstarkende Frankreich ver¬
loren, während auch Venedig bereits begonnen hat, seine
Herrschaft auf Kosten des Reiches nach dem oberitalienischen
Festlande hin auszudehnen. •
Zum erstenmal tritt auf dieser Karte die grosse Aus¬
dehnung der geistlichen Territorien voll hervor; von den¬
selben sind übrigens auch die Bisthümer Kammin in Pom¬
mern und Brandenburg, Havelberg und Lebus in der Mark
Brandenburg mit der das geistliche Gebiet bezeichnenden
Farbe bedacht worden, obwohl dieselben niemals zur Reichs¬
unmittelbarkeit gelangt sind, sondern stets als Landstifter
angesehen wurden; ähnlich verhielt es sich mit den Bisthümern
Meissen, Merseburg und Naumburg.
Die beiden Reiche Polen und Ungarn sind von 1370
bis 1382 unter Ludwig dem Grossen durch Personalunion
verknüpft und daher hier beide mit derselben Farbe um¬
zogen worden.
No. 7.
Mittel-Europa nach seiner kirchlichen Einteilung um
die Mitte des XV. Jahrhunderts.
Die kirchliche Eintheilung Mittel-Europa's, wie sie auf
diesem Blatte zur Darstellung gelangt ist, ist im ganzen und
grossen diejenige des späteren Mittelalters, die sich von der¬
jenigen des früheren, namentlich was Deutschland und die
östlichen Lande anbetrifft, nicht unwesentlich unterscheidet,
dann aber mit wenigen Abänderungen bis zur grossen
Kirchenspaltung des XVI. Jahrhunderts bestehen geblieben
ist. Bemerkenswerth ist, dass die kirchlichen Grenzen mit
den politischen der grossen Staaten nicht durchweg zu¬
sammenfallen, eine Folge einestheils des Umstandes, dass
man bereits bei den Theilungen der fränkischen Periode
kirchliche Provinzen auseinandergerissen, so unter anderen
*) Die auf dieser und einigen der folgenden Karten mit vollerer
Farbe bedeckten Striche Schlesiens bezeichnen die noch in den
Händen von Theil fiirsten befindlichen Theile des Herzogthums.
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