Gletscher.
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sammengepreßte Firnschnees der, dem Gesetz der Schwere folgend, in die Tiefe
drängt und sich in den ausgedehnten Mulden oder oberen kesselförmigen Anfängen
der Täler des Hochgebirges allmählich als fogen. Firnmeer ansammelt. Jene
kesselartigen Erweiterungen der Quertäler, Zirkus (Plural Zirkeu) benannt, die
z. B. in den Pyrenäen so häufig vorkommen, weisen hier wie anderswo mannig-
'saltige Spuren ehemaliger Vereisung auf.
§ 40. Die Gletscher. Die Firnmassen des Hochgebirgs würden ins Un¬
endliche anwachsen, wenn sie nicht durch die Gletscher entlastet würden. Durch
den Druck der höher liegenden Massen auf die tieferen, sodann in etwas tieferen
Gebieten, wo häufig auch schon Regen fällt, durch ununterbrochenes Auftauen und
Wiedergefrieren verwandelt sich der Firn allmählich in festes, dichtes und dabei
schmiegsam es Eis. iu Gletschereis, es bildet sich als Abfluß der mit Firn-
fchuee gefüllten Mulden ein Eisstrom, ein Gletscher.
Durch den Druck der gesamten Masse gleiten die ost viele Stunden langen
Gletscher wie eine zähe, Halbstarre Flüssigkeit talwärts bis unter die gewöhnliche
Schneelinie, wo sie abschmelzen. Ihre größte in den Alpen gemeffene Geschwindig-
keit beträgt 1,3 m in 24 Stunden. In den Gletscher geratene Gesteinstrümmer
sammeln sich auf seiner Oberfläche an und bilden infolge seines Vorrückens
Steiu-und Schuttwälle, die sogen. Moränen. Diese fassen als Seitenmoränen
den Gletscher ein, während sie als Mittelmoränen das Zusammenfließen
mehrerer Eisströme bezeichnen, als End- oder Stirnmoränen in Gestalt von
oft stundenweiten Steinwüsten dem unteren Ende des Gletschers vorgelagert sind
und als Grundmoränen durch den Gletscherlehm die Trübung der Gletscherbäche
veranlassen. Diese bilden sich ans dem Schmelzwasser der Gletscher, brechen an
seinem unteren oder Zungenende meist durch ein hohes, gewölbtes und Pracht-
voll blaues Eistor, das Gletschertor^ hervor uud sind gerade im heißesten
Sommer die sichersten Ernährer der Ströme, so des Rheins. Größere Steine,
die auf der Oberfläche des Gletschers liegeu, schützen das von ihnen bedeckte Eis
vor deni Schmelzen, und während das Eis im Sommer ringsum wegschmilzt,
bleibt unter den Steinen ein schmaler Eissnß stehen, der mit ihnen einen
Gletschertisch bildet. (Ans ähnliche Weise entstehen die anf weichem, durch eine
Gesteinsdecke geschütztem Boden namentlich in den Tiroler Alpen vorkommenden
Erdpyramid en.) — Das Zungenende wandert nach längeren Zeiträumen größerer
Feuchtigkeit weiter nach unten, nach trockenen zieht es sich zurück, und ein Wechsel
zwischen solchen Perioden scheint auf der Erde im Durchschnitt nach je 35 Jahren
einzutreten. Das Vorrücken, das in den letzten Jahren bei manchen Gletschern
der Alpen zu beobachten war, ist indessen unerwarteterweise bei den meisten schon
wieder ins Gegenteil umgeschlagen.
Von den Moränen diluvialer Gletscher, also der Eisströme der Eiszeit
(f. S. 24), gibt eine Anschauung Fig. 35, S. 46. Hier haben die Schuttmassen
einen Damm gebildet, hinter dem sich die Gewässer zu einem Stausee ange-
sammelt haben.
Da, wo in hohen Breiten die Gletscher mit ihren unteren Enden das Meer
berühren, bröckeln ungeheure Blöcke von ihnen ab und werden als Eisberge,
zuweilen mehr als 30 in über nnd 250 m unter die Oberfläche des Wassers
reichend, durch die Meeresströmungen in wärmere Meere getragen, wo sie endlich
schmelzen. Grönland und Alaska erzeugen vor allem diese Schrecknisse der
Schiffahrt. — In Grönland wird die nie sich erschöpfende Vorratskammer des
Eises aus dem Jnland-Eise gebildet, das als ein Überrest der Eiszeit seine
1 Von „fern" = vorjährig, also vorjähriger Schnee, daher auch Ferner bei den
Tirolern = Gletscher. — 2 S. Fig. 34, S, 46.