Full text: Lehrbuch der Geographie für die mittleren und oberen Klassen höherer Bildungsanstalten sowie zum Selbststudium

258 Buch VIII. Europa. Cap. II. Die Balkanhalbinsel. 
züge und gewann so die reichste Beute. Da aber zugleich die Bucht 
Den größten Flotten sicheren Zugang und Schutz vor allen Winden 
gewährt, so wurde bald dieser Hafenplatz der Ausgangspunkt aller 
Unternehmungen gegen das so stürmereiche Schwarze Meer und hat als 
Kreuzungspunkt zweier großer Handelsstraßen seine Bedeutung bis zur 
Gegenwart erhalten, und wie ost auch belagert und zerstört, sich 
stets jugendfrisch erhoben. Jetzt liegen auf der Nordseite der Bucht 
Gal ata, einst die Stadt der Genuesen (f. S. 235) und Pera, beide 
mit vorwiegend fränkischer Bevölkerung, ans der Südseite aber an der 
Stelle des alten Byza n z das heutige K o nsta ntin opel, und an der 
Spitze der südlichen Halbinsel das Serail (die Hohe Pforte), eine 
Stadt für sich. Amphitheatralisch steigt die Stadt von der Küste aus 
die Hügel der Halbinsel hinauf, mit ihren Moscheen und Minarets den 
prachtvollsten Anblick gewährend, während der reichbelebte Hafen, in 
welchem jährlich 4000 Schiffe ankommen, den prächtigsten Vordergrund 
darbietet. 
Bald aber treten die Ufer aufs Neue einander nahe, um das Meer 
zu der sagenberühmten (Argonauten!) und geschichtlich so merkwürdigen 
Straße des Hellesponts zusammenzudrängen. Sie wird im Westen 
durch den thracifchen Chersones, als dessen Fortsetzung man die 
Inseln Jmbros und das ehemals vulkanische Lemnos ansehen kann, 
von dem Busen von Saros (Melas der alten) getrennt. Auch diese 
Enge ist von höchster historischer Bedeutsamkeit. Hier hatten die Grie¬ 
chen schon früh zahlreiche Kolonien gegründet, von Denen wir nur 
Sestns und Abydus (Hero und Leander) nennen; hier überschritten 
die Perser unter dem Könige Darius (514) zum ersten Male die Greiv 
zen Europas, baute Xerxes seine beiden Brücken (480), wurden die 
Athener bei Aegospotami (405) geschlagen, schritt Alexander mit 
seinen Macedoniern nach Asien (334), wo sich ihm die Perser am 
Granicus entgegenstellten. Hier setzte später das Kreuzfahrerheer unter 
Barbarossa 1189 nach Asien über, und betraten, das feste Konstantinopel 
umgehend, im Jahre 1357 die Türken unter Murad I den Boden 
Europas und bemächtigten sich zuerst der Stadt Gallipoli (Kalli- 
polis), welche jetzt der Halbinsel ihren Namen verleiht. Um hier 
ihre Herrschaft zn sichern und die Verbindung mit dem Schwarzen Meere 
absperren zu können, haben sie sodann drei Paar fester Schlösser, die 
sog. Dardanellen, an beiden Ufern der Enge, die davon auch Straße 
der Dardanellen genannt wird, angelegt, und Gallipoli ist eine 
Hauptstation ihrer Flotte. . ^ 
Wir betreten nun das inselreiche Acgäische Meer,^ im Alterthum 
wie in der Gegenwart rings von Griechen umwohnt, daher r, xa^’r^xagO-.. 
das griechische Binnenmeer. An seiner Nordküste drängte sich im griechi¬ 
schen Alterthume Eolonie an Colonie, hier war der Hauptsitz der Macht 
Athens. Hier lag auf der Ostseite der chalcidischen Halbinsel Amphi- 
polis (Schlacht 422), an dessen Stelle jetzt etwas weiter im Inlands 
Seres getreten ist, dem Orfani als Hasen dient. In der Nähe liegt 
die-Küstemnsel Xfiasos, wegen ihres Goldreichthums schon sruh (14tes
	        
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