Full text: Moderne deutsche Dichter

— 148 — 
den unreinen Athem von dem reinen Feuer abwehrten. Auf einer Wiese 
neben dem Strome hatte man die Opferthiere geschlachtet, ihr Fleisch in 
Stücke geschnitten, mit Salz bestreunt und auf zarte Rasen und Klee— 
Prossen, Myrtenblüten und Lorbeerblätter ausgebreitet, damit nichts 
Todtes und Blutiges die schöne Tochter des Auramazda, die geduldige, 
heilige Erde, berühre. 
Nun trat Oropastes, der oberste Destur,“) an das Fener und warf 
rische Butter hinein. Die Flammen schlugen hoch empor. Alle Perser 
jelen auf die Knie und verbargen das Antlitz; denn sie glaubten, die 
Lohe schwinge sich ihrem Vater, dem großen Gotte, entgegen. Dann 
nahm der Magier einen Mörser, streute Blätter und Stengel des heiligen 
Harmakrautes 9) hinein, zerstampfte sie und goss den röthlichen Saft der 
Pflanze, die Speise der Götter, in die Flammen. 
13 
20n 
35 
Endlich streckte er die Hünde zum Himmel empor und sang, während 
indere Priester das Fener fortwährend mit frischer Butter zum wilden 
Auflodern zwangen, ein großes Gebet aus den heiligen Buͤchern. In 
diesem wurde der Segen der Götter auf alles Reine und Gute, vor allem 
nuf den König und das ganze Reich herabgernfen. Die guten Geister 
des Lichts, des Lebens, der Wahrheit, der edlen That, der Geberin Erde, 
des labenden Wassers, der glänzenden Metalle, der Weiden, der Bäume 
— —— 
der Lüge, welche die Menschen betrügt, der Krankheit, des Todes, der 
Sünde, der Wüste, der starren Kälte, der verödenden Dürre, des häjs— 
lichen Schmutzes und alles Ungeziefers sammt ihrem Vater, dem bösen 
Angramainjus, verflucht; und endlich stimmten alle Anwesenden singend 
— Festgebet ein: „Reinheit und Herrlichkeit wartet des reinen Ge— 
rechten!“ 
Dann schloss das Gebet des Königs die Opferfeierlichkeit. — Kam— 
byses bestieg im reichsten Ornate den mit vier schneeweißen nisäischen 
Rossen bespannten goldenen, mit Karneolen, Topasen und Bernstein ge— 
ichmückten Wagen und begab sich in die große Empfangshalle, um die 
Würdenträger und Abgeordneten der Provinzen zu empfangen. 
Sobald sich der König und sein Gefolge entfernt hatten, wählten 
sich die Priester die besten Stücke des Opferfleisches aus und gestatteten 
herandrängenden Volke, das Übriggebliebene mit nach Hause zu— 
nehmen. 
Die persischen Götter verschmähten das Opfer als Speise; sie ver— 
langten nur die Seelen der geschlachteten Thiere, und mancher Armere, 
namentlich unter den Priestern, fristete sein Leben mit dem Fleische der 
reichen Königsopfer. Wie der Magier gebetet hatte, so sollten alle Perser 
beten. Ihre Religion verbot, dass der einzelne etwas für sich allein 
von den Himmlischen verlange. Vielmehr mußste jeder Fromme für alle
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.