Full text: [Teil 2, [Schülerband]] (Teil 2, [Schülerband])

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Mit dem wachsenden Wohlstand aber und mit der schnellen 
Entwickelung aller Künste, die mit dem Handwerk in unmittelbarer 
Verbindung standen, gewann auch das Wohnhaus an Ausdehnung und 
Behaglichkeit. In der Reihenfolge der Geschlechter ward es ein anderes 
und blieb doch dasselbe; denn der Enkel baute init sorgsamer Schonung 
das nur aus, was der Großvater gegründet hatte. So ward das Haus 
im tiefsten Sinne Eigentum der Familie, d. h. der fortblühenden Reihe 
von Geschlechtern, und so bekam es jenes eigentümliche Gepräge, das 
zu dem Einerlei unserer numerierten Wohnhäuser im merkwürdigsten 
Gegensatze steht. Noch zeigt uns Nürnberg eine Menge solcher mittel⸗ 
alterlichen Häuser. Sie sind auf das Zusammenleben der Familie 
berechnet. Daher haben sie in der Regel einen großen, geräumigen 
Flur für Warenlager usw. breite Treppen, große Gänge und am Hof 
herumlaufende Galerien als Tummelplätze für die Jugend, große Familien⸗ 
zimmer. Die an den Decken hervortretenden Balken geben passende 
Gelegenheit zu Zieraten. Einen außerordentlichen Reiz aber besitzt das 
Haus in den vortretenden Erkern und Ecktürmchen, die, nach dem 
Familienzimmer offen, als gemütliche Arbeits- und Plauderwinkel 
dienen, nach außen aber durch ihre zierliche Gestalt, ihre Spitzdächer 
und Gesimse zur heitern Belebung der Straßen beitragen. Hier ist 
denn auch außen die reichste Steinmetzarbeit angebracht, innen Tafel— 
werk und Holzschnitzerei, bemalt und vergoldet und mit bedeutsamen 
Versen und Sprüchen geziert, und solch ein Erker erscheint dann am Hause, 
wie der Chor an der Kirche, als das schmuckreichste Heiligtum 
Am frühesten aber entwickelte sich die Pracht der Baukunst an den 
öffentlichen Gebäuden. Denn zwischen Herden und Strohdächern erhoben 
sich kunstvolle riesige Bauten, die Gemeindezwecken dienten, Rathäuser 
und Kirchen. Je mehr sich der Wohlstand und das Behagen der Städte 
im vierzehnten Jahrhundert steigerte, desto mehr wetteiferten sie, mit Stolz 
zu zeigen, was Geld und Arbeit vermöge. Es bildeten sich enggeschlossene 
Verbindungen der Baugewerkleute, namentlich der Maurer und der 
Steinmetzen, die sogenannten Bauhütten, die allmählich zu förmlichen 
Schulen der Baukunst wurden. Ihre Lehre war eine geheime, außer 
den Mitgliedern durfte niemand die Hütte betreten. Aber aus dem 
unglaublichen Wetteifer und dem uneigennützigen Zusammenwirken der 
verschiedenen Baugewerke ging die Vollendung der gotischen Baukunst 
hervor. Jede größere Stadt wollte ihren Dom haben. Da schien die 
schwere Masse leicht und frei emporzusteigen; da wuchsen die Pfeiler 
wie Bäume hervor und schlossen sich oben in spitzen Bögen ab, über 
dem Dache aber wurden sie durch spitze, in die Wolken ragende Türme 
fortgesetzt; die Fenster waren von ungeheurer Größe, aber das herein— 
fallende Licht ward gemildert durch kunstreiche Glasgemälde; die Erhaben⸗ 
heit des Ganzen endlich barg sich in die reichsten und lieblichsten 
Verzierungen der Steinhauerarbeit, so daß die Masse sich aus unermeßlich 
vielen, gleichsam lebendigen Steingewächsen aufzubauen schien. Es 
waren riesige Werke, berechnet auf die frommen Beiträge vieler nach 
einander folgenden Geschlechter. Der Baumeister, welcher den Plan 
entworfen hatte, sah wohl nie die Vollendung, ja, mit solcher Uneigen⸗
	        
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