Full text: Theodor Schachts Lehrbuch der Geographie alter und neuer Zeit

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Mittel-Europa. 
emporgehoben wird. Auch zwei eigentliche Kunstwerke schmücken den Tempel, ein seg- 
nender Christus und ein Graf Potozki, der vor Moskau siel, beide aus Marmor und 
von Thorwaldsens Hand. Das Koscziusko-Denkmal ist draußen vor der Stadt. 
Es ist ein Berg, aber nicht von der Natur, sondern von Menschenhand geschaffen, ein 
kolossales Hünengrab, das grün beraset, mit Schneckenwindungen, auf dem Bronislawa- 
Hügel zu der Höhe von 100 in. aufsteigt. Das Volk, in seiner Verehrung des Helden, 
hat mit Spaten und Karren ihm dieses Denkmal ausgethürmt, und zwar das Volk 
okme Unterschied des Standes und Alters; Greise wie Jünglinge, Senatoren, Bürger 
und Bauern waren daran bethätigt. Aus allen Woiwodschaften Polens ward etwas 
Erde beigesteuert, selbst aus Amerika, wo Koßczinsko unter Washington seine Kriegs- 
schule gemacht, und aus der Schweizerstadt Solothurn, wo er gestorben. Das muß 
man sagen: Was auch der Pole verschuldet hat, seine Vaterlandsliebe kann manchem 
Volke znm Muster dienen. — Jetzt steht auf dem Koscziuskoberge ein starkes Fort. 
Von Krakau ostwärts, etwa 40 M. entfernt, liegt Lemberg mit 87000 E., vor¬ 
nehmster Ort im südpolnischen Lande Galicien oder Halicz, das 1773 bei der ersten 
Theilnng Polens an Oesterreich fiel. Unter österreichischem Scepter hat die Stadt an 
Bevölkerung und Wohlstand sehr gewonnen, sie ist Sitz des Gouverneurs und 3 geist- 
licher Oberhirten, nämlich eines griechischen, lateinischen und armenischen Bischofs. Die 
jüdische Gemeinde ist groß, wie überall in Polen, sie zählt 21000, die zu Krakau 11000, 
die zu Warschau über 40000. — Fast eben so weit von Krakan wie Lemberg, aber 
nordwärts, liegt Warschau, am linken Ufer der Weichsel, niit der Vorstadt Praga 
gegenüber durch eine Schiffbrücke verbunden. Einwohnerzabl 180000. Sehenswerth: 
das königl. Schloß mit den Bildern der polnischen Könige, vielen Büsten berühmter 
Polen und den beiden Landtagssälen; die in einem Park liegende Sommerresidenz 
Lazienki mit vielen Marmorstatnen und Büsten, Mosaiken und dem Reiterstandbild 
Sobieskys; der Palast der Potozkis mit Gemäldegalerie und Kunstsammlung :c. 
Dem Köpern ikns, den die Polen gern zu den ihrigen rechnen, ist vor der Akademie 
ein Monument errichtet. Die Bauart der Stadt ist übrigens auffallend gemischt; neben 
steinernen Häusern und prächtigen Palästen stehen noch elende Hütten. Das gleiche be- 
merkt man im ganzen Polenlande, hin und wieder stattliche Landgüter zwischen den er- 
bärmlichsten Dörfern. Warschan, seit der Theilnng Polens eine Zeit lang unter Preußen, 
ist jetzt russisch und wird von der 1832 neugebauten Citadelle, der Alexander- 
festnng, beherrlcht. 
§♦ 3. Der kleine deutsche Theil. 
a. Geschichtliches. — In früheren Jahrhunderten, ehe Littauen am Niemen 
und Polen an der Weichsel ein gemeinsames Reich ausmachten, erstreckte sich die Sprache 
der Litt au er auch über den größten Theil des untern Weichselgebietes; das Volk da- 
selbst bestand aber als ein eignes für sich und hieß Prenßen oder Prutener. Vis 
ins 13. Jahrhundert nach Chr. Geb. behielt eS seine Unabhängigkeit und seine eigene 
heidnische Religion. Die christlichen Priester der Deutschen aber strebten, das Christen- 
thnm unter sie zu bringen, und deutsche Ritter und Fürsten wünschten, ihr Land zu 
erobern. Dies geschah, sobald die übrigen wendischen Völker zwischen der Elbe- und
	        
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