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Europa —
Schweiz.
parallelen Wälle des Jura (zwischen Rhone und Rhein) können leicht über--
schritten werden. Der Rhein bildet auch hier weder Natur- noch Volksgrenze.
Ter zwischen dem Boden- und Genfer See gelegene Landstrich, etwa
V8 des Ganzen, kann, jedoch nur im Gegensatz zum Hoch- und Mittelgebirgs-
land der andern >, als ebene oder slache Schweiz bezeichnet werden.
Zwischen Jura und Alpen gelegen und von diesen durch die Depression
einer Seenkette und durch hohe Schuttmassen (Nagelflnh) geschieden, bildet
sie, einem breiten ^ängenthale vergleichbar, ein durch Hügelketten geglie-
dertes Gelände, den Anfang der schwäbisch-baierischen Hochebene, aber vor
letzterer durch südlichere, nach W. geneigte Lage, durch geringere Seehöhe
(Bodensee 393 Vierwaldstädter See 437 m., Genfer See 396 m., Basel
248 m.)f milderes Klima und größere Gliederung (Molassehügel und tief
eingeschnittene Flußthäler) ausgezeichnet. Die schweizerische „Hochebene" ist
wie die „Region der Flüsse mit beruhigterem Lause", so auch die Korn-
kammer für das Gebirg, indem hier der Ackerbau zwar mit Anstrengung,
aber Erfolg betrieben wird, sie ist zugleich die Region der Städte und der
städtischen Gewerbe, mit einer Bevölkerung, die im allgemeinen in indu-
strieller und merkantiler Thätigkeit, im Schul- und Staatswesen, in ver-
besserter Kommunikation zc. den Gebirgsgegenden voraus ist, die Region,
wo reges, selbständiges Gemeindeleben in zahlreichen kleinen Städten schon
unter den Zähringern und Habsburgern neben den geistlichen Herrschasten sich
hat entfalten können. In der Alpenregion, deren Bewohner in einer Menge
von Längen- und Querthälern, oft durch Gletscher und Hochgebirgsketten
von einander geschieden, leben, kann Landbau nur dürftig betrieben werden,
Städte- und Fabrikanlagen fehlen fast durchaus und bildet die Viehzucht
den Haupterwerbszweig; neben industriell betriebener Alpenwirthschaft findet
sich hier auch halbnomadisches, ärmliches Hirtenleben.
Geschichtliches, Verfassung, Statistisches, Volkscharakte r.
Die Helvetier waren eines der tapfersten celtischen Völker; durch Cäsar und
Augustus kamen sie unter römische Herrschaft. Nach dem Sturze des Römerreiches er-
hielt das Land eine germanische Bevölkeruug: der größte Theil ward allemanisch oder
schwäbisch, der Südwesten burgundisch; später dem fränkischen Reiche einverleibt, ver¬
blieb es bei der Theilung desselben und nach manchem Besitzwechsel endlich dem
deutschen Reiche. Die Zerbröckelung Schwabens und Burgunds führte zur Ent-
siehung zahlreicher kleiner Herrschaften; denn die von den Königen eingesetzten Grafen
und Herren errangen allmählich fast völlige Unabhängigkeit und Erblichkeit in ihren
Gauen, und Nebte uud Bischöfe maßten sich gleiche Gewalt in ihren Sprengeln an.
Die Ritter und Herren aber, als die Inhaber von Grund und Boden, geboten von
ihren Burgen aus über die Menge der unfreien oder hörigen Thalbewohner. In den
Städten, die durch Handel und Gewerbfleiß wohlhabend geworden, hatte sich zwischen