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Darüber ist kein Zweifel, daß eine Erhebung Deutschlands zur See
wesentlich von diesen Landen abhängt. Seine größle Handelsstadl liegt auf
holsteinischem Gebiet; nur hier finden sich Kriegshäfen, nur hier ist eine
Verbindung der beiden deutschen Meere ohne fremden Einfluß möglich.
Noch immer finden der Osten und der Westen Europas hier einen
Punkt der Berührung; der Norden steht zunächst auf dieser Straße mit dem
Süden in Verbindung, und wenn der Winter die Häfen schließt, giebt es
keine andere. Dies hat dem Lande notwendig auch eine große geschichtliche
Bedeutung geben müssen; es ist mehr als einmal det Mittelpunkt allgemeiner
politischer Verwickelungen gewesen. An den Kriegen des Nordens hat es
fast jederzeit einen bedeutenden Anteil gehabt; wie denn überhaupt Gebiete
von größerer geschichtlicher Wichtigkeit sich am wenigsten einer abgeschlossenen
und ruhigen Entwickelung zu erfreuen pflegen.
Was aber vielleicht zeitweise die malerielle Wohlfahrt gefährdete, das
weckte und stärkte die Kraft der Bevölkerung. Wonn ein Teill auf den
Anbau des meist fruchtbaren Landes eine lohnende Thätigkeit verwandte, so
gab einem andern Schiffahrt und Handel eine Beschäftigung, die den Blick
erweiterte und oft zugleich reichen Ertrag gewährte. Zu der Regsamkeit und
Tüchtigkeit ihres Charakters trug es nur bei, daß sie nie ganz gleichartig in
den verschiedenen Teilen des Landes war, und daß geschichtliche Verhältnisse
im Laufe der Zeiten größere Gegensätze zuwege brachten.
Daß die ganze Halbinsel, die der Geograph des zweiten Jahrhunderts,
Ptolemäus, zuerst die cimbrische nennt, in älterer Zeit germanische Bevölkerung
hatte, ist nicht bestritten. Wenn einige höher hinaufgehen und vorher Kelten
oder andere Stämme als Bewohner des Landes nachweisen wollen, so kann
dies dahingestellt bleiben. Es ist doch nur eine kühne Vermutung, wenn
ein großer Sprachforscher in früher Urzeit den Belt als die Scheide von
Kelten und Finnen aufführen will. Als die Alten von diesen Gegenden
Kunde erhielten, wußten sie nur von Germanen zu erzählen; diejenigen, die
genauer unterrichtet waren, bezeugen ausdrücklich, daß auch die Cimbern
diesem Stamme und nicht dem keltischen angehörten. Sie unterscheiden aber
nicht zwischen den beiden Hauptteilen des germanischen Stammes, die wir
als deutsche und skandinavische oder nordische Germanen einander entgegen⸗
stellen müssen, und deren Trennung ohne Zweifel in frühe Urzeit zurückgeht,
bis in die Zeiten der Einwanderung in die späteren Gebiete. Wie auch
beide Teile unter sich in Sprache, Recht, Götterglauben und Sitte verwandt
sind, tritt doch eben hier in dem ganzen geschichtlichen Leben ein Gegensatz
hervor, der ungleich bedeutender ist als die Verschiedenheit der einzelnen
deutschen oder nordischen Stämme unter einander, und der nicht bloß als das
Ergebnis späterer geschichtlicher Verhältnisse, als die Folge etwa der An—
siedelung auf verschiedenem Boden und unter verschiedenen klimatischen Ver—
hältnissen, betrachtet werden kann. Die Geschichte giebt Zeugnis, daß die
deutschen und skandinavischen Germanen sich dieses Gegensatzes von je her
bewußt waren; er überwog fast immer die Gemeinsamkeil der Interessen, die
aus Verwandtschaft und Nachbarschaft hervorgehen konnte; er wurde früh