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Hugi am Ende der Bahn ankam und sich umwandte, da war Thialfi
noch einen guten Pfeilschuß weit zurück. Und als sie das driltemal
liefen, hatte Thialfi noch nicht die Mitte der Bahn erreicht, da
war Hugi schon am Fiele und hatte den Wettkampf gewonnen. Nun
wandte sich der Riesenkönig an Thor und sprach: „In welcher Kunst
willst du dich denn vor uns hervortun ? Die Menschen machen ja
so viel Rühmens von deinen Großtaten!“ „Am liebsten will ich
mich mit jedem im Trinken messen, wer es auch sei,“ erwiderte
Thor. Darauf ging Utgardloki mit ihm in die Halle zurück und
befahl seinem Mundschenken, das Horn zu bringen, aus dem die
Hofleute zu trinken pflegten. Er reichte es Tor und sagte: „Wir
halten es so, daß der, welcher das Horn auf einen Zug leert, als
ein guter Trinker gilt; einige trinken es auf den zweilen Zug aus,
aber keiner ist ein so schlechter Trinker, der es nicht in dreien leerte.“
Thor betrachtete prüfend das Horn; ziemlich lang schien es ihm,
doch nicht allzu groß, und er dachte es mit einem Zuge zu leeren,
denn er war sehr durstig. Da setzte er es an den Mund und schlang
gewaltig. Endlich aber mußte er absetzen, weil ihm der Alem aug
ging, und als er ins Horn fah, war kaum zu merken, wieviel er ge—
trunken. „Nicht übel war dein Schluck,“ sprach Utgardloki, „doch
ich hätte geglaubt, daß Thor besser trinken könnte. Ich weiß aber,
du wirst es beim zweilen Zuge leeren.“ Argerlich antwortete Thor
nichts, sondern führte das Horn wiederum zum Munde und dachte
einen großen Trunk zu tun. Doch wenn er auch sog, so lange ihm
der Atem anhielt, das Ende des Horns wollte nicht in die Höhe
gehen, und endlich mußte er absetzen. Da schien es ihm, als wenn
nun noch weniger von dem Getränk abgegangen wäre; doch konnte
man jetzt das Horn tragen, ohne zu verschütten. „Warum sparst
du dir noch einen Trunk auf ?“ sprach Utgardloki. „Wenn du nun
mit dem dritten Zuge das Horn leeren willst, so muß das der größte
sein. Jedoch wirst du bei uns kein so großer Mann heißen konnen,
als bei den Asen, wenn du in den anderẽn Spielen nicht mehr leistest.“
Zornig setzte Thor das Horn zum dritten Male an und traut aus
allen Kräften, und als er ins Horn sah, war noch ein großer Rest
darin. Da gab er es zurück und wollte nicht mehr trinken. Utgard—
loki aber sprach zu ihm: „Es ist offenbar, Thor, daß deine Macht
nicht so groß ist, als wir dachten. Denn im Trinken vermagst du
nichts.“ „Wunderlich würde es mich dünken,“ antwortete Thor,
„wenn ich daheim bei den Asen wäre und solche Trünke würden für
klein erachtet. Aber ich will mich noch in anderen Spielen versuchen.
Welches bietet ihr mir nun an?“ Da sagte der König: „Junge
Bursche pflegen hier im Spiel meine Kahe von der Erde aufzu⸗
heben. Ich würde Asathor nicht eine so geringe Probe zumuten,
wenn ich nicht vorhin gesehen, daß du viel weniger vermagst, als
ich dachte.“ Alsbald lief eine große, graue Katze über den Estrich.
Thor faßte sie mit der Hand mitten unter dem Bauche und lupfte