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Südliches (semitisches) Vorder-Asien.
82. Naturbeseliaffenheit. In den westasiatischen Ländern
südlich vom Tauros überwiegt schon dem Areal, noch mehr der Er¬
giebigkeit und historischen Bedeutung nach bei weitem die Form des
Flachlandes jene der Berglandschaften: letztere ist im wesentlichen
beschränkt auf die fast rechtwinklig zum Tauros-System, vorherrschend
in N— S.-Richtung aufgerichteten westlichen Ränder jenes ganzen Län¬
derraumes, die Küstengebirge Syriens und Arabiens. Das an dieselben
sich östlich anlehnende und nach Osten verflachende Hochland, wie es
namentlich den grössten Teil der arabischen Halbinsel erfüllt, besteht
hauptsächlich aus Hochebenen, unterbrochen von vereinzelten kleineren
Berggruppen. Diese Region aber tritt wegen der in ihr herrschenden
Wasserarmut hinsichtlich der Bewohnbarkeit weit zurück hinter den
vom Euphrates und Tigris1) durchströmten tiefer gelegenen Ebenen,
welche die mittlere Stellung im ganzen Vorderasien einnehmen und in
ihrer unteren aus Alluvialboden bestehenden Hälfte im Altertum ohne
Zweifel die dichteste Bevölkerung ganz Asiens, daher auch eine hervor¬
ragende politische Bedeutung gehabt haben.2)
1) EvrpQaTrjq aus altpers. Ufrdtu, dieses aus hebr. syr. Prät. Ti-yQtjg, T'vyqig
aus altp. Tigra (welches wegen Gleichklangs mit dem pers. „Pfeil“ bedeu¬
tenden Wort schon von den Alten auf den schnellen Lauf bezogen worden
ist), dieses aus syr. Diglat, Diklat, hebr. Chiddelcel. Beide Flussnamen sehr
wahrscheinlich schon vorsemitisch.
2) Das Gefälle beider Ströme im mittleren Dritteil ihres Gesammt-
laufes, d. i. von ihrem Austritt aus den südarmenischen Taurosketten bis
zum Eintritt in die alluviale babylonische Tiefebene beträgt auf ca. 150 u. 120 d.
M. über 300m, ist daher reissend, nur abwärts schiffbar. In dem harten,
sonst wasserarmen Boden dieser weiten ebenen wüstliegenden Strecke bilden
die ^^ d. M. breit von den Strömen selbst ausgewaschenen und zur
Zeit des Hochwassers überschwemmten, daher mit Alluvialboden und Inseln
ausgefüllten Talrinnen fast die einzigen angebauten und permanent bewohnten
Verbindungswege zwischen dem syrisch-assyrischen Hügellande in Norden
und dem babylonischen Tieflande in Süden; als dritter kommt dazu eine
bewässerte und angebaute schmale Zone längs des Gebirgsfusses östlich yom
Tigris, welche von diesem selbst abermals durch eine Wüste getrennt ist,
die nur die beiden Zäh [Zaßcaog, Zaßäg) genannten Zuflüsse des Tigris
unterbrechen; eine ähnliche partielle Unterbrechung bildet im Zwischenlande
der beiden grossen Ströme (MsGonom/uhc der Griechen) der Euphratzufluss
Chabör (XaßüjQccg, ’AßoQQag).
83. Bevölkerung1. Der bezeichnete Länderraum bildete (viel¬
leicht mit geringer Ausnahme chamitischer oder kuschitischer Stämme
im äussersten Süden) das geographisch geschlossene Wohngebiet der