Full text: Mathematische Erdkunde

§ 1. Die scheinbare tägliche Bewegung der Sonne. 
Die vier Himmelsgegenden. 
Bei den in den §§ 1—5 angestellten Beobachtungen ist voraus¬ 
gesetzt, dafs der Anblick des Himmels durch Wolken, Nebel u. dgl. 
nicht gestört wird, ferner dais sie innerhalb unseres deutschen Vater¬ 
landes angestellt werden. Die geographische Breite des Beobachtungs¬ 
ortes wird mit go bezeichnet. 
Betrachten wir von einem erhöhten Punkte aus, welcher nach 
allen Seiten hin freien Ausblick bietet, den Himmel, so erscheint er 
uns als eine Halbkugel. Der Punkt derselben, welcher senkrecht über 
uns liegt, heilst Zenith, die Kreisperipherie, in welcher Himmelskugel 
und Erdoberfläche zusammenzustofsen scheinen, Gesichtskreis oder Hori¬ 
zont, jede in dessen Ebene verlaufende gerade Linie horizontal oder 
wagerecht. Wir können uns die Halbkugelfläche zur vollen Kugelfläche 
ergänzt denken. Der dem Zenith diametral ^gegenüberliegende Punkt 
heifst Nadir. 
Wir sehen die Sonne als eine kreisrunde, glänzende Scheibe Tag 
für Tag vom Horizonte aus in schräger Richtung emporsteigen, am 
Himmelsgewölbe mit gleichförmiger Geschwindigkeit einen Kreisbogen 
beschreiben und wieder unter den Horizont herabsinken. Der höchste 
Punkt, welchen ihr Mittelpunkt erreicht, heifst der Gipfelpunkt oder 
Kulminationspunkt derselben, der Zeitpunkt, in welchem sie sich dort 
befindet, die wahre Mittagszeit (vgl. § 8). 
Der Kreisbogen, welcher vom Mittelpunkte der Sonne oberhalb des 
Horizontes beschrieben wird, heifst der Tagbogen der Sonne. Denkt 
man sich denselben zur vollen Kreisperipherie ergänzt, so liegt der 
ergänzende Bogen unterhalb des Horizontes; derselbe heifst ihr Nacht¬ 
bogen. Eine genaue Messung des Winkels, unter welchem die Ebene 
der scheinbaren täglichen Sonnenbahn gegen den Horizont geneigt ist, 
ergiebt, dafs derselbe das Komplement zu der geographischen Breite des 
Beobachtungsortes, also gleich (R— <p) ist. 
Die Sonne scheint während des Tages an der Himmelskugel einen 
Kreisbogen zu beschreiben, dessen Ebene gegen die Horizontalebene 
unter dem Winkel (R — <p) geneigt ist. Der Zeitpunkt, in welchem sie 
kulminiert, ist die wahre Mittagszeit. 
Wir fassen den Kulminationspunkt der Sonne ins Auge, denken 
uns denselben auf die Horizontalebene projiciert und seine Projektion 
mit unserem Standpunkte durch eine gerade Linie verbunden. Die Rich¬ 
tung dieser Verbindungslinie ist die Mittagslinie. Sie schneidet nach 
beiden Seiten hin verlängert den Horizont in zwei Punkten : der vor 
uns gelegene ist der Südpunkt, der hinter uns gelegene der Nordpunkt. 
Beide Punkte zerlegen den Horizont in zwei Halbkreisbögen, der linker 
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