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3. Ich denke hoher Ehren,
Sturmlust'ger Jugendzeit,
Da wir mit scharfen Speeren
Hinjauchzten in den Streit.
Hei, Schildgekrach, im Sachsenkrieg!
Auf unsern Bannern saß der Sieg,
Als wir die ersten Narben
Erwarben.
4. Mein grünes Heimatleben,
Wie tauchst du mir empor!
Des Schwarzwalds Wipfel weben
Herüber an mein Ohr;
So säuselt's in der Rebenflur,
So braust der Rhein, darauf ich fuhr
Mit meinem Lieb zu zweien
Im Maien.
5. O Minne, wundersüße,
Du Rosenhag in Blust,
Ich grüße dich, ich grüße
Dich heut' aus tiefster Brust!
Du rother Mund, gedenk' ich dein,
Es macht mich stark, wie firner Wein,
Das sollen Heunenwunden
Bekunden.
6. Ihr Kön'ge, sonder Zagen
Schlaft sanft, ich halte Wacht;
Ein Glanz aus alten Tagen
Erleuchtet mir die Nacht.
Und kommt die Früh' im blut'gen Kleid:
Gott grüß' dich, grimmer Schwerterstreit!
Dann magst du, Tod, zum Reigen
Uns geigen!
220. Einem Knaben.
Von UM. Lenau.
Sämmtliche Werke. Stuttgart 1874 Bd. J, S. 128.
1. Was trauerst du, mein schöner Junge? 5. Gib acht, gib acht, o lieber Knabe,
Du Armer, sprich, was weinst du so? Daß du nicht dastehst trauernd einst
Daß treulos dir im raschen Schwunge Und um die beste, schönste Habe
Dein liebes Vögelein entfloh? Des Menschenlebens bitter weinst!
2. Du blickest bald in deiner Trauer 6. Daß du die Hand, die sturmerprobte
Hinüber dort nach jenem Baum, Nicht legst, ein Mann, an deine Brust,
Bald wieder nach dem leeren Bauer Darin so mancher Schmerz dir tobte,
Blickst du in deinem Kindestraum. Dir säuselte so manche Lust;
3. Du legst so schlaff die kleinen Hände 7. Daß du die Hand mit wildem Krampf
An deines Lieblings ödes Haus Nicht drückest deinem Busen ein,
Und prüfest rings die Sprossenwände Aus dem die Unschuld dir im Kampfe
Und fragst: „Wie kam er nur hinaus?“ Entflohn, das scheue Vögelein.
1. An jenem Baume hörst du singen 8. Dann hörst du flüstern ihre leisen
Den Fernen, den dein Herz verlor, Gesänge aus der Ferne her;
Und unaufhaltsam eilig dringen Neigst hin dich nach den süßen Weisen —
Die heißen Thränen dir hervor. Das Vöglein aber kehrt nicht mehr!
221. Der Postillon.
Von A. Lenau.
Sämmtliche Werle. Stuttgart 1874. Bd. J, S. 80.
1. Lieblich war die Maiennacht, 4. Heimlich nur das Bäãchlein schlich,
Silberwölklein flogen, Denn der Blüten Träume
Ob der holden Frühlingspracht Dufteten gar wonniglich
Freudig hingezogen. Durch die stillen Räume.
2. Schlummernd lagen Wies' und Hain, 5. Rauher war mein Postillon,
Jeder Pfad verlassen; Ließ die Geißel knallen,
Niemand als der Mondenschein Über Berg und Thal davon
Wachte auf der Straßen. Frisch sein Horn erschallen.
3. Leise nur das Lüftchen sprach, 6. Und von flinken Rossen vier
Und es zog gelinder Scholl der Hufe Schlagen,
Durch das stille Schlafgemach Die durchs blühende Revier
All der Frühlingskinder. Trabten mit Behagen.