Full text: Lehrbuch der Erdkunde für höhere Schulen

Das westliche Tiefland und die Nordseeküste. 177 
Dieser ebene Nordwesten Deutschlands tritt überall als Flachküste Nordsee- 
an das Meer heran. Nur vereinzelt erheben sich niedrige Sandhügel fufte< 
am Strande; sie bilden die Geest, welche meist erst in einiger Ferne 
von der Küste mitten zwischen den Mooren aufragt. Den Strand selbst 
nimmt ein Schwemmland des Meeres, die Marsch, ein. Ihr Boden ist 
so flach, daß er vor den Fluten durch künstliche Dämme, durch Deiche, 
geschützt werden muß. Die Marsch reicht bis zu dem langen Jnselzuge, Insel», 
der hier die Küste begleitet; sie ist teilweise nur zur Zeit der Ebbe 
trocken, zur Zeit der Flut werden weite Strecken, die Watten, von 
Wasser bedeckt. Die Kette der Inseln stellt die ursprüngliche Dünenküste 
dar, hinter welcher die Schwemmassen der Marsch abgelagert wurden. 
Sie ist von der Gewalt des Meeres zu einzelnen Inseln, den oft- und 
nordfriesischen, zerrissen worden. Die Einbrüche der Flut haben zugleich 
hier weite Buchten, den Jadebusen und den Dollart sowie die Müu- 
düngen der Elbe und der Weser geschaffen. 
Die Nordsee eröffnete dem Handelsverkehre Deutschlands das Meer. §271. 
An den einmündenden Strömen sind daher die größten Seestädte des ^ed- 
Reiches erstanden, Hamburg und Bremen. Die bedeutendere von beiden cn' 
ist gegenwärtig Hamburg, das zweifellos seiner günstigen geographischen 
Lage diese Entwicklung verdankt. Es liegt an dem zentralsten Flusse 
Deutschlands tief im Binnenlande, ist aber bei Flut noch von den größten 
Seeschiffen erreichbar. Die führende Stellung unter den deutschen See- 
städteu hat es erst in neuerer Zeit erworben. Nach der Gründung des 
Hansabundes blieb es lange hinter Bremen und Lübeck zurück.^Dann 
begann der überseeische Verkehr und damit Hamburgs Aufschwung, der 
es zur ersten Handelsstadt des europäischen Festlandes erhoben hat. 
Ausfuhr von einheimischen Erzeugnissen und Einfuhr von Kolonialwaren 
bilden die Grundlage für den Handel, der sich namentlich nach Amerika 
erstreckt. Auch die deutsche Auswanderung geht zu einem großen Teile 
über Hamburg. Prachtvolle Anlagen, große öffentliche Gebäude und 
schöne Villenvororte zeugen von Reichtum und Wohlstand. Mit 
800000 Einwohnern ist es die zweitgrößte Stadt des Reiches. 
Mit Hamburg ist Altona, ebenfalls eine bedeutende Handelsstadt, 
eng verwachsen. Zugleich ist dieses wie das benachbarte Harburg links 
der Elbe durch lebhafte Industrie ausgezeichnet. An der Mündung der 
Elbe liegt Cuxhaven, der Vorhafen von Hamburg. In den fruchtbaren 
Schwemmlandniederungen an der unteren Elbe, namentlich in den Vier- 
landen, blüht der Garten- und Gemüsebau. 
Die freie und Haufastadt Bremen hat zu dem Hinterlande eine 
weniger günstige Lage und besitzt außerdem in der Weser keine so gute 
Schiffahrtsstraße wie Hamburg in der Elbe. Gleichwohl ist es ein nicht 
minder wichtiger Seehandelsplatz, namentlich für Einfuhr von Tabak, 
Reis und Baumwolle, fowie ein außerordentlich reiches Gemeinwesen, 
was sich schon äußerlich in der Anlage der Stadt zu erkennen gibt. 
Der Landungsplatz für die Seeschiffe befindet sich hauptsächlich in dem 
weiter unterhalb gelegenen Bremerhaven; seit der durchgreifenden 
Weserregulierung und der Erbauung eines Freihafens ist jedoch auch 
Bremen selbst für größere Fahrzeuge zugänglich geworden. Für die 
deutsche Auswanderung ist es der Hauptausgaugspuukt. Hier hat die
	        
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