Full text: Physische Erdkunde für höhere Lehranstalten

D. Die gegenwärtigen Formen der Gesteinshülle. 
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während das Riff fortwächst, bildet sich ein Kanal zwischen diesem und der Insel; 
es entsteht das Dammriss C'C'; endlich verschwindet die Insel ganz, und das 
Atoll C"C" ist fertig. 
In neuester Zeit wurde die Theorie Darwins mehrfach angefochten. Atolle 
mit liefen Lagunen können auch alten Kratern aufgesetzt sein. Man hat ferner die 
Atolle als Krönung unterseeischer Bänke aufgefaßt. Es ist daher wohl jedes Atoll¬ 
gebiet für sich aus seinen Ursprung hin zu untersuchen. „Das allmähliche Fort¬ 
wachsen der Korallen aus sinkendem Meeresboden ist tatsächlich", sagt ander¬ 
seits Prof. Frech, „die einzige einleuchtende Deutung für die Entstehung der 
Hunderte von Metern messenden Riffbildungen." 
Bedeutung der Inseln: a) im Haushalte der Natur. 1. Infolge 
ihrer allseitigen Umgebung mit Wasser erfreuen sich die Jnfeln in der Regel eines 
ziemlich gleichmäßigen Klimas; da sie ferner den feuchten Meereswinden von allen 
Seiten zugänglich sind, erhalten sie meist auch eine beträchtliche Regenmenge; die 
natürliche Folge hiervon ist eine große Fruchtbarkeit. 2. Den Organismen bieten 
sie durch ihre Abgeschlossenheit treffliche Schutzstätten dar; alle größeren Inseln zeigen 
ja! 
Fig. 50. Allmähliche gtttroidUung eines Atolls (C”C") aus einem KüAenriffe (6 6) 
durch die Avergangsstufe eines Dammrisses (6' 6'). 
darum Tier- und Pflanzengeschlechter, die auf den Festländern im Kampfe ums 
Dasein längst untergegangen sind. So hat Australien noch Beuteltiere, Madagaskar 
eigentümliche Reptilien, Madeira altertümliche Pflanzenorganismen; 
b) für die Menschenwelt. 1. Die geschützte Lage der Inseln wurde 
die Ursache vieler Niederlassungen. Schon die Phönizier bauten ihre Handelsstädte 
mit Vorliebe auf Jnfeln, z. B. Tyrus, Sidon, und ebenso machen es noch heute 
die Europäer in fremden Erdteilen (Singapore, Hongkong). Inselstaaten bewahren 
auch ihre politische Selbständigkeit leichter als Festlandsstaaten. 2. Die Jnselvölker 
entwickeln sich infolge der Absonderung in eigenartiger Weise; so sind die Eng¬ 
länder und Japaner von den ihnen benachbarten Kontinentalvölkern beträchtlich ver¬ 
schieden. 3. Für die Entwicklung der Schiffahrt wurden besonders bedeutend 
die Gestadeinseln; sie bildeten die Bewohner benachbarter Küsten zu tüchtigen See¬ 
leuten aus. So reizte das kupferreiche Cypern die Phönizier, das Festland zu 
verlassen, Elba die Etrusker, Korsika die Genuesen ic. 4. Religionsformen, Sitten, 
Gebräuche und Sprache erhalten sich auf Inseln vielfach länger als auf dem Fest¬ 
lande; sie haben also auch eine bewahrende Wirkung. So hat auf Island das 
germanische Heidentum am längsten bestanden, die keltische Sprache erlosch aus dem 
Festlande früher als in Großbritannien.
	        
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