Full text: Klasse 5 (sechstes Schuljahr) (Teil 5, [Schülerband])

„Nun, und wenn es sein müßte," unterbrach ich die kühlen Zweifler, 
„warum nicht auch schon in der nächsten Stunde? Ich bin dazu bereit, 
aber ich bedarf noch eines Gefährten. Wer begleitet mich?" 
Ringsherum nichts als Schweigen und Kopfschütteln, und schon 
wollte ich im feurigen Unmute auflodern, als der Kaufmann Herr Gölckel 
mir die Hand reichte, sich mir zum Gefährten erbot, in einer Stunde 
reisefertig zu sein versprach und nun selber zur Eile trieb, damit wir 
noch vor völligem Torschluß die Festung im Rücken hätten. Ich selbst 
übernahm es, die Postpferde für uns zu bestellen. 
Glücklich auf den Weg gelangt, bemerkten wir erst draußen auf 
dem Felde, daß es eine stockdunkle Nacht gab, und daß es schwer halten 
werde, des rechten Weges nicht zu verfehlen. Wirklich auch hatten wir 
noch nicht Spie erreicht, als wir mit Unlust inne wurden, daß wir uns 
seitabwärts nach Earrin verirrt hatten und genötigt waren, auf einem 
weiten Umwege wieder auf die Poststraße zurückzukehren. Dies machte 
mich so ungeduldig, daß ich dem Postillon Zügel und Peitsche aus den 
Händen riß, um selbst zu kutschieren; und es könnte wohl sein, daß ich 
ihm nebenher einige fühlbare Denkzettel auf den Rücken zugemessen hätte. 
So ging es langsam weiter, von Station zu Station, ohne daß mein 
stetes Treiben sonderlich fruchtete, oder daß ich auf die Vorstellung meines 
gleichmütigeren Reisegefährten viel gegeben hätte, der mir bemerklich 
machte, daß wir auf diese Weise mitten in der nächstfolgenden Nacht in 
Stargard anlangen und dann um so weniger in dem überfüllten Orte 
ein Quartier für uns auffinden würden. Diese Sorge kümmerte mich aus 
guten Ursachen ungleich weniger. 
Zn der Tat war es auch, als wir an Ort und Stelle kamen, noch 
so früh am Morgen, daß wir noch alles in Finsternis und Schlaf be¬ 
graben fanden. Dies hinderte jedoch nicht, daß ich gleich zunächst dem 
Tore mir ein Haus drauf ansah, vor dem ich zu halten befahl. Es 
wurde abgestiegen, angeklopft und nachdem es drinnen munter geworden, 
mit lauter Stimme Herberge begehrt. Die Antwort war, wie sie zu 
erwarten stand, eben nicht sehr tröstlich: alles sei dicht beseht und kein 
Unterkommen mehr möglich. — „Aber, lieben Leute," rief ich dagegen, 
„den alten Nettelbeck werdet ihr' doch nicht auf der Straße stehen 
lassen?" — „Nein, wahrhaftig nicht!" scholl eine weibliche Stimme 
dagegen, „tausendmal willkommen! Da muß sich schon ein Winkelchen 
finden." — Und es fand sich auch so bequem und wohnlich, daß wir 
noch in guter Ruhe einige Stunden ausschlafen konnten. Mein Reise-
	        
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