Friedrich der Große.
199
2. Für alle seine Länder sorgte der König, nicht zuletzt für sein
Schmerzenskind, das neuerworbene Schlesien. Als der König die
große Landschaft eroberte, hatte sie wenig mehr als eine Million
Einwohner. Lebhaft wurde dort der Gegensatz empfunden, der
zwischen der bequemen österreichischen Wirtschaft und dem knappen, rast⸗
losen, alles aufregenden Regiment der Preußen war. In Wien war
das Verzeichnis der verbotenen Bücher größer gewesen als zu Rom,
jetzt kamen unaufhörlich die Bücherballen aus Deutschland in die
Provinz gewandert, das Lesen und Kaufen war zum Verwundern
frei, sogar die gedruckten Angriffe auf den eigenen Landesherrn. In
Osterreich war es ein Vorrecht der Vornehmen, ausländisches Tuch
zu tragen; als in Preußen der Vater Friedrichs des Großen die Ein—
fuhr von fremdem Tuch verboten hatte, kleidete er zuerst sich und seine
Prinzen in Landtuch. In Wien war alle Arbeit Sache der Sub—
alternen, der Kammerherr galt mehr als der verdiente General und
Minister; in Preußen war auch der Vornehmste gering geachtet, wenn
er dem Staate nichts nützte, und der König selbst war der aller—
genaueste Beamte, der über jedes Tausend Thaler, das erspart oder
verausgabt wurde, sorgte und schalt. In Glaubenssachen gab der
große König im Gegensatz zu der früheren Regierung seinen Unter—
shanen volle Freiheit. Trotz der drei Schlesischen Kriege war die
Provinz weit blühender als zur Kaiserzeit. Einst hatten hundert
Jahre nicht ausgereicht, die handgreiflichen Spuren des Dreißigjährigen
Krieges zu verwischen; die Leute erinnerten sich wohl, wie überall
in den Slädten die Schutthaufen aus der Schwedenzeit gelegen hatten,
überall neben den gebauten Häusern die wüsten Brandstellen. Viele
kleine Städte hatten noch Blockhhäuser nach alter slawischer Art mit
Stroh und Schindeldach, seit lange dürftig ausgeflickt. Durch die
Preußen waren die Spuren nicht nur alter Verwüstung, auch der
neuen des Siebenjährigen Krieges nach wenigen Jahrzehnten getilgt.
Friedrich hatte einige hundert neue Dörfer angelegt, hatte fünfzehn
ansehnliche Städte zum großen Teil auf königliche Kosten wieder in
regelmäßigen Straßen aufmauern lassen, er hatte den Gutsherren
den harten Zwang aufgelegt, einige tausend eingezogene Bauernhöfe
wieder aufzubauen und mit erblichen Eigentümern zu besetzen; der
Adel wußte, daß es ihm beim Könige für eine Ehre galt, wenn er
für die Kultur des Bodens sorgte, und daß der neue Herr solchen
kalte Verachtung zeigte, die nicht Landwirte, Beamte oder Offiziere
waren. Früher waren die Prozesse unabsehbar und kostspielig ge—
wesen, ohne Bestechung und Geldopfer kaum durchzusetzen; jetzt fiel
auf, daß die Zahl der Advokaten geringer wurde, die Urteile so
schnell kamen. Unter den Osterreichern freilich war der Karawanen—