Metadata: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

Friedrich der Große. 
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2. Für alle seine Länder sorgte der König, nicht zuletzt für sein 
Schmerzenskind, das neuerworbene Schlesien. Als der König die 
große Landschaft eroberte, hatte sie wenig mehr als eine Million 
Einwohner. Lebhaft wurde dort der Gegensatz empfunden, der 
zwischen der bequemen österreichischen Wirtschaft und dem knappen, rast⸗ 
losen, alles aufregenden Regiment der Preußen war. In Wien war 
das Verzeichnis der verbotenen Bücher größer gewesen als zu Rom, 
jetzt kamen unaufhörlich die Bücherballen aus Deutschland in die 
Provinz gewandert, das Lesen und Kaufen war zum Verwundern 
frei, sogar die gedruckten Angriffe auf den eigenen Landesherrn. In 
Osterreich war es ein Vorrecht der Vornehmen, ausländisches Tuch 
zu tragen; als in Preußen der Vater Friedrichs des Großen die Ein— 
fuhr von fremdem Tuch verboten hatte, kleidete er zuerst sich und seine 
Prinzen in Landtuch. In Wien war alle Arbeit Sache der Sub— 
alternen, der Kammerherr galt mehr als der verdiente General und 
Minister; in Preußen war auch der Vornehmste gering geachtet, wenn 
er dem Staate nichts nützte, und der König selbst war der aller— 
genaueste Beamte, der über jedes Tausend Thaler, das erspart oder 
verausgabt wurde, sorgte und schalt. In Glaubenssachen gab der 
große König im Gegensatz zu der früheren Regierung seinen Unter— 
shanen volle Freiheit. Trotz der drei Schlesischen Kriege war die 
Provinz weit blühender als zur Kaiserzeit. Einst hatten hundert 
Jahre nicht ausgereicht, die handgreiflichen Spuren des Dreißigjährigen 
Krieges zu verwischen; die Leute erinnerten sich wohl, wie überall 
in den Slädten die Schutthaufen aus der Schwedenzeit gelegen hatten, 
überall neben den gebauten Häusern die wüsten Brandstellen. Viele 
kleine Städte hatten noch Blockhhäuser nach alter slawischer Art mit 
Stroh und Schindeldach, seit lange dürftig ausgeflickt. Durch die 
Preußen waren die Spuren nicht nur alter Verwüstung, auch der 
neuen des Siebenjährigen Krieges nach wenigen Jahrzehnten getilgt. 
Friedrich hatte einige hundert neue Dörfer angelegt, hatte fünfzehn 
ansehnliche Städte zum großen Teil auf königliche Kosten wieder in 
regelmäßigen Straßen aufmauern lassen, er hatte den Gutsherren 
den harten Zwang aufgelegt, einige tausend eingezogene Bauernhöfe 
wieder aufzubauen und mit erblichen Eigentümern zu besetzen; der 
Adel wußte, daß es ihm beim Könige für eine Ehre galt, wenn er 
für die Kultur des Bodens sorgte, und daß der neue Herr solchen 
kalte Verachtung zeigte, die nicht Landwirte, Beamte oder Offiziere 
waren. Früher waren die Prozesse unabsehbar und kostspielig ge— 
wesen, ohne Bestechung und Geldopfer kaum durchzusetzen; jetzt fiel 
auf, daß die Zahl der Advokaten geringer wurde, die Urteile so 
schnell kamen. Unter den Osterreichern freilich war der Karawanen—
	        
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