Klimatische Verhältnisse der Erde in friilieren Zeiten. 217
Verhältnisse wesentlich anders gestalten mussten, und dass dabei
auch die Stelle, an welcher sich die feste Masse erhol), von der
grössten Bedeutung gewesen sein müsse. Im Allgemeinen müsse
sich aher die Temperatur der ganzen Erdoberfläche bei jnder
Vermehrung des festen Areals erhöht haben. Uebrigens konnten
die wechselnden Senkungen und Hebungen fester Massen und
die damit verknüpften Veränderungen des Verhältnisses zwischen
Land und Meer ein wiederholtes Vorschreiten und einen wieder¬
holten Rückzug der Eismassen bewirken.
Man hegte vielfach die Meinung, dass seit Herstellung der
klimatischen Zonenunterschiede in ihrer heutigen Beschaffenheit
die Temperatur der Erde in einen gewissen Gleichgewichtszustand
getieten sei, indem der Erde durch Sonne und Steine ersetzt
weide, was sie durch Ausstrahlung an Wärme verliert. Man
glaubte annehmen zu dürfen, dass die Erde sich seit 2000 Jah¬
ren nicht um den 170. Theil eines Gratles abgekühlt habe. Mit
einer Abkühlung der Erde müsste eine Zusammenziehung der
letzteren, also eine Verminderung ihres Volumens und deshalb
eine Beschleunigung der Rotationsbewegung verbunden sein. Da-
1 aus folg*- denn wieder eine Verminderung des Slerntages, wel¬
che! die Zeiteinheit ist, durch welche man die Umlaufszeit und
die periodischen Bewegungen aller Gestirne ausdrückt. Laplace
berechnete aber, gestützt auf Beobachtungen, welche Hipparch
(140 v. Chr.) anslellte, dass die Dauer des Sterntages seit jener
Zeit nicht um den lOOlen Theil einer Secunde abgenommen
hat. Indessen kann die Ausstrahlung der unserer Erde eige¬
nen Wärme die Wärmeeinstrahlung von Seiten der Sonne über¬
treffen und demgemäss das Volumen der Erde sich vermindern,
ohne dass dies eine merkliche Verkürzung der Umdrehungszeit
mit sieh führen wird, falls nämlich eine Ursache vorhanden ist.
welche die aus der Volumenverminderung der Erde resullirende
Beschleunigung der Rotation compensirt. Eine solche Ursache ist
nach R. Mayer (Mechanik der Wärme, 1867) in den Fluthwellen
des Meeres gegeben. Während die Erde sich von W. nach 0
um ihre Axe dreht, schreiten beide Fluthberge, der obere und
untere in derselben Richtung, entgegengesetzt der Axendrehung
(er Erde, fort. Doch tritt die Fluth stets einige Zeit nach dem
Meruhanslande des Mondes hervor, so dass der Mond stets west¬
lich von der Spitze des oberen Fluthberges steht. Analvsirt man
nun die Anziehung des Mondes auf beide Fluthberge mittelst des
Parallelogramms der Kräfte, so findet sich, dass der Mond den
oberen Fluthberg stets in einer ,1er Erdrotation entgegengesetzten
Richtung, den unteren dagegen in der Richtung der Rotation zu
bewegen sucht. Indem nun der obere Fluthberg, der grösser als
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