124 VI. (Europa. 
des kaspischen Meeres aus Asien eingedrungen waren und alles unter 
ihrer Knute unfrei und schlecht gemacht hatten; die vorher herrschen- 
den d. h. schatzenden Khanate an der mittleren und unteren Wolga 
wurden nun dem Moskowiterreich unter seinem „Zaren" einverleibt. 
Peter der Große eroberte (um 1700) die schwedischen Ostseepro- 
vinzen (außer Finnland) nnd brachte dadurch zum ersten Mal sein 
Volk auf der allein wegsamen Straße, dem Meer, in Verbindung 
mit abendländischer Bildung. Katharina II. half das Königreich 
Polen in dreimaliger Teilung zertrümmern und gewann hierdurch 
und durch glückliche Türkenkriege den S. und SW. Finnland trat 
erst 1809 in Personalunion zu Rußland. Heute beherrscht der rus- 
fische Zar von der Ostsee bis zur Berings-Straße das umfassendste aller 
jetzt bestehenden Reiche, } der nicht vom Meer bedeckten Erdoberfläche. 
Die Russen sind ein vorzugsweise bäuerliches Volk; sie treiben 
Ackerbau, Viehzucht und Hausgewerbe, doch erst seit 1867 der Leib- 
eigenschaftsfeffeln ledig. Über ■$ der europäischen Getreideernte kommt 
auf Rußland, das in der Menge seines Viehs ebenso unübertroffen 
in Europa dasteht wie in der seiner Ernte (nur Esel, Maultiere und 
Ziegen haben südeuropäische Länder mehr). Zum Handel ist der 
Großrusse so geschickt, daß selbst die Juden in seinem Wohngebiet 
nicht aufkamen; früher war in dem so lange wegelosen Land nur die 
Schneedecke der unermeßlichen Ebenen die Fahrstraße für seine Schlit- 
ten, im Sommer das fast ein einziges Netz bildende Geflecht 
der Flüsse für seine Boote; nunmehr durchziehen Eisenbahnen den 
ganzen weiten Raum und Kanäle verknüpfen die (bei ganz geringem 
Gefäll bis gegen die Quelle hin vortrefflich schiffbaren) Flüsse aller 
vier Meergebiete mit einander. Handgeschicklichkeit und ererbte Neigung 
des Volks zum Handwerk schuf endlich auch der Großindustrie in 
Rußland Boden, für welche die Bergwerke des Ural das beste Eisen 
und weite Strecken (am Ural, um Moskau, in Polen) großartige 
Steinkohlenvorräte bereit halten. Noch liefert Rußland meist grobe 
Waren, hat jedoch für dieselben nicht bloß daheim, sondern auch in 
seinen asiatischen Reichsanteilen und deren Nachbarschaft ein großes 
Absatzfeld; von dort bezieht es die Rohseide für seine Fabriken und 
aus China den Ziegelthee (das russische Nationalgetränk seit Alters). 
Vom w. Europa empsängt Rußland noch einen großen Teil seines 
Bedarfs an Fabrikaten, namentlich von England und aus dem deut- 
scheu Reich, liefert aber dahin längst nicht mehr nur Juchtenleder und 
Kaviar (Rogen vom Stör der fischreichen Wolga), sondern vor allem 
Getreide (besonders Weizen nach England und Frankreich, Roggen 
und Weizen nach dem deutschen Reich), Flachs, Hanf und Holz. 
Münzeinheit ist der Rubel (— 3 Mi), geteilt in 100 Kopeken, 
Längenmaß die Werst (wenig über 1 Kilometer, 7 auf 1 M). 
Die Dichte der Bevölkerung ist außerhalb Polens und des über- 
aus fruchtbaren Gürtels der Schwarzerde, der sich von den Karpaten
	        
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