Full text: [Landeskunde des Deutschen Reiches] (H. 4 = Lehrstoff der Obertertia)

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liegen vor dem Feinde offen da, meine Leute wohnen zumeist in offenen! 
Dörfern, ja westlich der Weser viele sogar in Einzelhöfen. Wenn wir doch 
viele solcher Burgen wie Werla hätten, möglichst nahe unsern Grenzen! 
Die fremden Räuber sollten uns nicht mehr so leicht ins Land einbrechen, 
sengen und brennen, rauben und morden. Also: wir müssen, wir 
wollen Burgen bauen! 
2. Wir haben an mehreren Beispielen erkannt, daß die Heeresver-- 
fassung und Waffentechnik eines Volkes nicht für sich bestehen und nur durch 
das eigene Volk bestimmt werden kann, daß vielmehr die Ordnung und Ge¬ 
staltung beider auch von dem Feinde abhängen: 
Marius ändert die römische Heeresverfassung, Schwert und Pilum. 
Der Reiterdienst bei den Franken seit den Kriegen Karl Martells 
mit den Arabern. 
Heinrich: Die Magyaren sind vorzügliche Reiter, rasch da, rasch 
dort, schnell zerstreut bei der Verfolgung, schnell gesammelt zu gemeinsamem 
Angriff. Mein Heer besteht aus Kriegern zu Fuß. Aber die können gegen 
die magyarischen Reiter nicht viel ausrichten; sie find zu langsam, zu schwer¬ 
fällig. Und doch! Wirksam kann der Feind abgewehrt, dauernd das Land 
vor seinen Plünderungszügen gesichert werden nur durch erfolgreiches Ent¬ 
gegentreten im offenen Felde. Also ich brauche ein Reiter Heer. 
Zwar., die vornehmen Sachsen dienen schon zu Roß wie fast alle Franken. 
Aber der sächsische Reiter ist nur im Einzelkampfe geübt, es kämpft Mann 
gegen Mann. Was können solche Reiter gegen den Massenkampf der 
magyarischen Reiter? Also: mein Reiter Heer muß den G e- 
schwaderkampf lernen. 
3. Heinrich: Die Magyaren verlangen den gefangenen Fürsten 
zurück. Sie bieten mir Gold und Silber. Was soll ich damit? Meine 
Schatzkammern füllen, mich am Glanze erfreuen? Was hilft das meinem 
Volke? Nichts. Mein Volk braucht Frieden, damit es seine zerstörten 
Höfe neu aufbauen, seine zertretenen Felder wieder pflügen und besäen, 
seine Herden neu vermehren kann. Ich brauche Zeit, die Burgen zu 
bauen, das Reiterheer zu schassen. — Wie, wenn ich für die Rückgabe des 
magyarischen Fürsten einen mehrjährigen Waffenstillstand verlangte? Die 
Magyaren werden vielleicht mehr verlangen, noch einen Tribut. Ob ich 
ihn zahle, ob ich einen solchen Vorschlag den Großen meines Herzogtums 
machen darf? Sie werden mich daran erinnern, daß Karl der Dicke den 
Normannen den Frieden abkaufte und deshalb das Königtum verlor. Sie 
werden mich mahnen, auch ich könnte mein Königtum, kaum an mein Haus ge¬ 
kommen, kaum im Kampfe gegen die Herzöge behauptet, wegen des Ver¬ 
dachts der Feigheit wieder verlieren. Sie werden mir entgegenhalten: 
„Nichts wahrlich ist schimpflicher und entwürdigender, als das Vaterland 
einem Feinde zinsbar zu machen und fo ihm die Knechtschaft zu erkaufen." 
(Giesebrecht I, 221.) Aber ich will ja nicht eine dauernde, sondern nur 
eine vorübergehende Unterwerfung, ich will ja so nur den Feind listig 
täuschen und ihn dann um so sicherer vernichten. Wer Großes will, darf 
auch falschen Verdacht nicht scheuen, der muß Verkennung, ja Hohn und 
Spott ertragen können, bis seine Stunde kommt, da eintritt, was er ge¬ 
wollt, da offenbar wird, warum er so und nicht anders gehandelt hat. 
Also: ich schließe den Waffenstillstand, ich gebe den Ge¬ 
fangenen zurück, ich zahle den Tribut.
	        
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