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die Franzosen sich schon näherten. Sie selbst erklärte: „ich will lieber in
die Hände Gottes als dieser Menschen fallen." Und so wurde sie am
3. Januar 1807 bei der heftigsten Kälte, bei dem fürchterlichsten Sturm
und Schneegestöber in den Wagen getragen und zwanzig Meilen weit
nach Memel gebracht. Die Reise dauerte drei Tage und drei Nächte; am
Tage fuhr man teils auf den Sturmwellen des Meeres, teils auf dem
Eise; die Nächte verweilte man in den elendesten Hütten. In der ersten
Nacht lag die Königin in einer Stube, deren Fenster zerbrochen waren, so
düß der Schnee auf ihr Bett geweht wurde, ohne erquickende Nahrung.
So hat noch keine Königin die Not empfunden.
Kaum war sie genesen, so erschütterte der Friede von Tilsit, der den
Staat um die Hälfte verkleinerte, ihre Gesundheit von neuem. Nur ihr
Gottvertrauen hielt sie aufrecht, und sie zeigte eine solche Würde und edle
Haltung, daß sie den König und ihre ganze Umgebung zu trösten ver¬
mochte. Ohne Murren fügte sie sich in die Entbehrungen, welche das Un-
glück dem Königshause auferlegte. Um dem verarmten Vaterlande zu Hilfe
zu kommen, wurde das große goldene Tafelgeschirr, ein Erbstück der Väter,
in die Münze geschickt, um Geld daraus zu prägen. Auch ihre Diamanten
gab Luise hin und behielt nur einen Schmuck von Perlen; „denn Perlen",
sagte sie, „bedeuten Thränen, und ich habe deren so viele vergossen".
4. Die Ergebung, mit der sie die Heimsuchung trug, machte sie ihrem
Gemahl noch teurer, und das ganze Volk hing ihr, wie einer Heiligen, in
rührender Liebe an. Als sie (erst im Jahre 1809) wieder nach Verlin
zurückkam, äußerten sich Verehrung und Treue in begeisterter Weise. Aber
die Leiden hatten das Herz der Königin, das so lebhast für das Wohl des
Vaterlandes schlug, gebrochen. Sie hatte den lange gehegten Wunsch, den
Vater und ihre Geschwister zu besuchen, im Juni 1810 ausgeführt. Dort,
auf dem Schlosse Hohenzieritz, verfiel sie in eine gefährliche Krankheit, und
ihr Gemahl mußte bald an ihr Sterbebett berufen werden.
„Die Königin hatte" — so erzählt als Augenzeugin die Oberhofmeiste-
ritt—, „den Tod bereits auf der Stirn geschrieben, und doch, wie empfing
sie ihn, mit welcher Freude umarmte und küßte sie ihn! Und er weinte
bitterlich. Der Kronprinz und Prinz Wilhelm waren mit ihm gekommen.
So viel die arme Königin es nur vermochte, versuchte sie noch immer zu
sprechen. Sie wollte so gern immer noch zum Könige reden, ach, und sie
konnte es nicht mehr. So ging es fort, und sie wurde immer schwächer.
Der König saß auf dem Rande des Bettes, und ich knieete davor. Er
suchte die erkalteten Hände der Königin zu erwärmen; dann hielt er die