Full text: [Teil 3a = 7. u. 8. Schulj] (Teil 3a = 7. u. 8. Schulj)

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so wenig kann ein guter, gesunder Essig aus chemischer Essigsäure 
und aus Gewürzessenzen hergestellt werden. Es besteht ein großer 
Unterschied zwischen dem einen und andern. Der durch die natürliche 
Essigsäuregärung entstandene Essig enthält neben der chemisch reinen 
Essigsäure und den gewürzhaften Bestandteilen des Weines oder des 
Bieres, aus dem der Essig durch die Bazillen gegoren wurde, noch 
andre aromatische Bestandteile, welche als Stoffwechselerzeugnisse 
der Essigsäurebazillen aufzufassen sind, und welche den natürlichen 
Gärungsessig wohlschmeckend und wohlbekömmlich machen. 
Auch der Reifungsvorgang der verschiedenen Käsearten ist der 
Entwickelung der an der Oberfläche der Käse angesiedelten niederen 
Pilze, unter denen namentlich Spaltpilze auftreten, zuzuschreiben. 
Noch zu mancherlei anderen wirtschaftlichen Zwecken arbeiten 
die Bakterien für den Menschen: bei der (technischen) Herstellung man¬ 
cher Farbstoffe — Indigo — bei der Loslösung von Pflanzenfasern zu 
den Zwecken der Textilindustrie — Seide, Hanf — bei der Gärung 
der Tabak- und Teeblätter, bei der Düngung der Ackererde. Mehr 
als sich mancher träumen läßt, sind wir Menschen abhängig von 
den kleinsten Mitbewohnern der Erde. 
3. Diesen geradezu nützlichen Spaltpilzen stehen nun allerdings 
eine große Anzahl solcher Arten gegenüber, welche giftig sind ocTer 
welche im Innern des Körpers durch ihre sonstige Lebenstätigkeit 
krankmachend und tödlich wirken. Entweder in der Art, daß 
sie — wie die Cholerabazillen — Gift hervorbringen, welches von 
dem Darmrohr, der inneren Körperfläche, aufgesogen wird, oder 
daß — wie bei den Pestbazillen — die Spaltpilze selbst in die Gewebe- 
und in die Blutbahn eindringen und den Körper überschwemmen. 
4: Aber selbst von den krankmachenden Spaltpilzen, den eigent¬ 
lichen Krankheitsverbreitern, sind viele — vielleicht mehr, als selbst 
von Fachleuten heute noch angenommen wird — für ihr Leben gar 
nicht unbedingt auf den menschlichen oder tierischen Körper ange¬ 
wiesen, sondern benutzen denselben nur unter dem Zwange der Not¬ 
wendigkeit als Wirt, oft genug nicht nur zum Nachteil des letzteren, 
sondern mehr noch zum eignen Schaden. Ein besonders lehrreiches 
Beispiel dafür bietet der Milzbrand. 
Unter den Herden der nomadisierenden Hirtenvölker Sibiriens, 
in den Niederungen der Wolga und der Donau tritt die Milzbrandkrank¬ 
heit nicht selten bei Renntieren, Pferden, Schafen und Rindern als 
verheerende Seuche auf und fordert sogar Opfer unter den sonst wenig 
für Milzbrand empfänglichen Menschen. Die Ursache der Krankheit 
sind Bakterien, die Milzbrandbazillen, deren Lebensbedingungen genau, 
wohl am besten von allen Spaltpilzen bekannt sind.
	        
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