Der indische Archipel.
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5. Der indische Archipel oder Malesien.
[2,031,000 DKm = 36,890 ^M., 30£ Mill. ©.]
Diese Jnselflur (eine selbstständige Welt für sich), die umfangreichste der Erde,
umfaßt das Südende Asiens von der Mündung des Jrawadi bis zur Insel
Formosa. Alle Inseln sind gebirgig, oft hochgebirgig, und von vulkanischer
Natur. Da sie in der Nähe des Aequators liegen, der mitten durch die Haupt-
iuseln Sumatra und Borneo geht, Celebes und Gilolo (spr. Dschilolo) schneidet, ist die
Hitze außerordentlich groß, das Klima beider großen Feuchtigkeit für Europäer
höchst ungesund. Das Pflanzenreich prangt in der höchsten Ueppigkeit; zu
den Kulturpflanzen der heißen Zone treten noch die hier einheimischen köstlichen
Gewürze, der Kamp her bäum, die überaus fruchtbare Arekapalme und der
Brotbaum, die hier ihre eigentliche Heimath haben. Auch das Thierreich zeigt,
namentlich in der Klaffe der Säugethiere, einen erstaunlichen Reichthum; merk-
würdig ist besouders die Menge der Affen und Beutelthiere, der Orang-Utang,
der Tapir, der Kasuar, die Kakadu's, die Salaugaue (Hirundo esculenta), eilte
Schwalbe, welche ihre in China so geschätzten eßbaren Nester — wahrscheinlich
eine zähe Ausscheidung der zur Zeit des Eierlegens besonders thätigen Speichel-
drüsen — an unzugängliche Felsen klebt. — Die eine Hälfte der Inseln liegt
in dem Monsun, der von Oktober bis März aus N.-O., die übrige Zeit
entgegengesetzt weht und beim Umsetzen von Orkanen, Typhons sTeifnns),
begleitet ist; die andere Hälfte gehört der Region des N.-W.-Monfuu an.
Bevölkerung. Nirgend in der Welt findet sich ein folches Durcheinander
von den verschiedensten Racen, Religionen und Kulturstufen. Die Urbewohner
gehören zwei sehr verschiedenen Racen, der Malayischen und der Papua-
Race, an; die geographische Mitte des großen Verbreitungsgebietes der ersteren
sind die großen Suuda-Jufelu oder die südöstlichen Ausläufer des Festlandes,
mnthmaßlich ihre ursprüngliche Heimath. Vielleicht um Christi Zeit wurden die
Bewohner von Java (Dschawa) das Hauptvolk unter den westlichen Malayen,
indem sie sich die Religion und höhere Bildung der Hindus (den Bnddhaismus)
aneigneten und die Nachbarinseln unterwarfen. Zengniß dieser Kulturperiode sind
die prächtigen Tempeltrümmer auf Java und die Denkmäler der Literatur, welche
in der von den Gelehrten jener Jnfel noch jetzt verstandenen Kawisprache ver-
faßt sind. Um die Zeit des Interregnums in Deutschland eroberten dann die
Javaner die Halbinsel Malaka und nahmen bald darauf die muhamedauifche
Religion an. Diese mnhamedanischen Malayen von MalAa wurden nun das
Hauptvolk unter den westlichen Malayen, verbreiteten den Islam bis auf die
Philippinen und kolonifirten und beherrschten, als die Normannen des Ostens,
alle Küsten des indischen Archipels bis zur Ankunft der Portugiesen und
Spanier im Anfange des 16. Jahrhunderts, denen hundert Jahre später auch
noch die Holländer folgten. Auch die heutigen Malayen sind fleißige See-
fahrer und machen dnrch Seeräuberei die indischen Gewässer unsicher. Aus der
Molukkeugruppe, den Banda-Jnseln, der östlichen Hälfte von Flores und den östlich
von dieser Insel gelegenen Eilanden sitzen stark mit malayischem Blute versetzte
Ueberreste der alten papuauischen Urbevölkerung, die sich aus Timorlaut
rein erhalten hat, und zu der auch die Asta der Philippinen gehören. Bonden
Europäern besitzen die Portugiesen nur noch einen Theil von Timor, die Spanier
herrschen auf den Philippinen, die Holländer, das Hauptvolk, auf allen Sunda-
inseln und den Molukkeu.
V. Seydlitz, größere Schulgeographie. XVI. 03. 5