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Scenen aus dem Volksleben in Ägypten.
streckt. Einer nach dem andern verlassen die Gäste das Kaffeehaus.
Durch die engen, dunkeln Gassen, deren Häuserwände matt vom
Lichte der Laterne erhellt sind, wanken sie schlürfenden Fußes nach
Hause. Jedes Geräusch, jede plötzliche Erscheinung, mag ein Stein-
chen vom Dache fallen, oder ein Hund oder eine Katze ihnen in den
Weg treten, oder eine Sternschnuppe am Himmel aufblitzen, macht
sie zusammenschrecken. Ein kräftiges Stoßgebet gegen die bösen
Geister oder die Ginn! und ihren Obersten, den Jblis oder Teufel,
murmeln sie unverständlich zwischen den Zähnen, indem sie kaum
hörbar die Worte über die Lippen pressen: „Gott schütze uns vor
ihren Bosheiten! Konnte nicht der Stein von dem bösen Geist
herabgeworfen sein, und ist nicht die Sternschnuppe ein böser Pfeil,
den Gott gegen den bösen Ginn! schleudert? Möge Allah den Feind
des Glaubens damit durchbohren!"
Unter solchen Gesprächen, welche Zeugnis ablegen von dem
krassen Aberglauben der Ägypter, erreichen sie ihr Haus, klopfen mit
dem eisernen Schlägel mehrmals an die Thür, um Einlaß zu be-
gehren. Sie verschwinden endlich hinter der geschlossenen Pforte,
und mit ihnen ist die Gaffe öde und leer.
Der Kairenfer geht früh zur Ruh, etwa um 8 oder 9 Uhr uu-
serer Zeit nach. So sehr er in seinen dichterischen Phantasieen für
die Nacht eine fast schwärmerische Begeisterung zeigt, so wenig ent-
spricht er dem Worte durch die Thai. Nur da, wo besondere „Phan-
tasieen" oder Lustbarkeiten seiner harren, verschmäht er es nicht, bis
zur Mitternacht aufzubleiben.
Wir ziehen unsere Straße weiter. Hier und da tönen die ras-
selnden Klänge der Darabuke, welche den Gesang der ägyptischen
Tänzerinnen begleiten, die in dem Hause irgend eines ägyptischen
Wüstlings oder vor einem Harem ihre lüsternen Tänze aufführen.
Bei dem türkischen Karaul oder Wachtposten vorbei, der uns sein
Kimindero „Wer da?" zuruft und mit unserer Antwort ibn el belled
„ein Sohn der Stadt" zufrieden gestellt ist, biegen wir in die Neben-
straße ein, wo die sonore Stimme des Wächters den Ewigen mit
den schönen, durch die Nacht hinhallenden Worten besingt: „Ich
preise die Vollkommenheiten des lebendigen Königs, der nicht schläft
und nicht stirbt."
Gespensterhaft glänzen im bleichen Mondscheine die weiß ange-
strichenen Häuser der Esbekieh mit ihrem durchbrochenen Fensterwerk
und ihren hervorspringenden Erkern; in zitternden Umrissen zeichnen