Metadata: Vom Regierungsantritt Karls des Großen bis zum Tode Friedrichs des Großen (Teil 2 = Klasse 2)

VI. Die Aufklärung. 
205 
Kirche, keinen Zusammenhang mehr haben, vielmehr als „Weltbürger" 
in freier Äöhe „spekulieren" und ihren eigenen Interessen nachhängen. 
Man denke an Goethes Elternhaus! Auch der friderizianische Staat 
war noch kein Organismus, und der „Philosoph auf dem Throne" 
hat die Erstarrung des Mechanismus selbst mit beschleunigt. „Die 
Untertanen sollen nicht wissen, wenn der Staat sich schlägt." Daher 
findet keine Heranziehung des Volkes zu tätiger Anteilnahme an den 
Sorgen und Aufgaben des Staates statt; der Aufklärungsstaat hat 
bloß zu schützen und geht im übrigen seine eigenen Wege genau so 
wie das Individuum; er verfolgt Machtzwecke, gliedert sich nötigen¬ 
falls ganz fremde Bestandteile ein und sucht durch eine möglichst 
zweckmäßige Finanzpolitik seine Bedürfnisse zu befriedigen. Aber 
die Regungen der Volksseele beachtet die Politik nicht, ein Grund¬ 
satz, der Preußen und ganz Deutschland zu schwerem Verhängnis 
wurde. 
Grundlegende Bedeutung hatte Friedrichs des Großen Auf¬ 
klärungsstreben auch für das Schulwesen. Nicht Gelehrsamkeit 
darf das Hauptziel fein, sondern in höheren und niederen Schulen 
soll der gesunde Menschenverstand geweckt, statt überflüssiger Grübeleien 
das Erfahrungsgemäße, Nützliche und Brauchbare gepflegt, statt des 
Dogmas Moral und Toleranz gelehrt und solches praktische Wissen 
in möglichst breite Schichten des Volkes getragen werden. 
Dieser pädagogisch-empiristische Geist Lockes wurde aber in 
Deutschland erst eine von allgemeiner Begeisterung getragene Macht 
durch die Verquickung mit den Ideen Rousseaus. Zwar war in 
Rousseaus Pädagogik für die Schule kein Raum, und während Emil 
fern von der; Außenwelt einzeln erzogen werden soll, gilt der an 
Wolf und Locke genährten deutschen Pädagogik das gemeinnützige 
Wirken gerade als Hauptziel der Erziehung. Aber in anderen grund¬ 
legenden Gedanken stimmte Rousseaus Programm auch wieder mit 
der deutschen Aufklärung überein; so in der Anerkennung der natür¬ 
lichen Güte des Kindes, in dem glühenden Verlangen nach entdeckerischer 
Betätigung, auch auf dem moralisch-deistischen Gebiete, so daß Rousseau 
als willkommener Bundesgenosse im Kampfe gegen die Orthodoxie 
erschien und durch die Verschmelzung der verschiedenen Einflüsse sich 
die philanthropische Erziehungsbewegung bildete, die, ein 
echtes Gewächs der Aufklärung, in Basedow und Salzmann ihre 
rührigsten Vertreter fand. 
Wir heutigen Menschen vermögen nur schwer zu erkennen, was 
wir der großen Bewegung verdanken. Allein bei aller Schätzung der 
Ausklärung, durch die das von der Renaissance trübe und unsicher 
eingeführte neuzeitliche Kulturideal erst verwirklicht worden ist, trotz
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.