Alpen. Vertikale Gliederung. §. 52. 165
Hügel alsdann versagen, wodurch eine gewisse fortwährende Gleichmäßigkeit der
Wasserfülle entsteht. Auch vermehren die Gletscher die Zugänglichkeit des Hoch-
gebirges; die tiefen Schluchten würden unübersteiglich sein, wenn nicht Schnee- und
Eisbrücken einen Weg über dieselben bahnten. Das einzige bis jetzt auf Gletschern
lebend gefundene Thier ist, außer den Infusorien des sogenannten rothen Schnees,
der (zuerst von Desor 1839 entdeckte) Gletscherfloh, der zu Tausenden in den Haar-
spalten des Gletschereises lebt.
Den Erhebungen der Gebirgszüge entsprechen die begleitenden Ein-
senknngen oder Thälcr. Die längsten und bedeuteudsteu Thüler der
Central- und Ost Alpen folgen der Richtung der Hauptketten von Süd-
west nach Nordost, so die Länge nthäler der obern Rhone, des obern
Rheins, des Inns, der Salzach, Enns, gegen Osten die der Dran und
Sau. Hier sammeln sich die Alpengewässer nicht blos aus den Haupt-
thälern, sondern auch die wilden, reißenden Bergwasser aus den engen,
in mehreren Stufen stark abfallenden (daher zahlreiche Wasserfälle bilden-
den) und sich zuweilen zu großen Becken erweiternden Seiten- oder
Qu erthälern (cluses), um sich in vier großen Strömen, Rhein,
Rhone, Po, Donau, und einem von mittlerer Größe, der Etsch,
außerhalb des Alpeusystems dem Meere zuzuwenden. Sowohl der Haupt-
kämm als auch die bedeutenderen Nebenketten sind häufig durch tiefe
Einsenkuugeu der Kammhöhe durchschnitten, welche zu Straßen-
Übergängen (Pässen) benutzt werden.
Die Atpenpässe (Cols), ober die tiefsten Einschnitte in den Kamm des
Gebirges, welche man als Uebergangspnnkte aus dem Hintergrunde eines
Thales in den des entgegengesetzten Thales wählte, theils Saumpfade, theils
die großartigsten Wunderwerke des Wegebaues, sind im Vergleich zu anderen
Hochgebirgen die zahlreichsten (in der Schweiz etwa 80) und tiefsten, daher
die bequemsten (die niedrigsten in den Ost-Alpen), die nach allen Richtungen
hin dem täglichen Verkehr dienen und selbst, wenn sie mit Schnee und Eis
bedeckt sind, benutzt werden. Sie veranlassen in ihrer Nähe das Empor-
kommen ansehnlicher Orte als Nnhepunkte vor und nach dem Uebergang (so:
Ehur, Innsbruck, Brixen, Graz n. s. w.). Beim Auf- und Absteigen lassen
sie erkennen, wie die Vegetation ab- und dann wieder zunimmt, auch wie für
sie die Verhältnisse am Südfuße der Alpen weit günstiger liegen als am
Nordfuße.
Kunststraßen über solche Alpenpässe erfordern ausgedehnte Felssprengungen,
hoch aufgethürmte Terrassen, zahlreiche Brücken, lange Felsgallerien (eine Art Tunnels)
zum Schutz gegen Lawinen und vom Winde fortgeschleuderte Steinmassen, Znflnchts-
Häuser für Reisende und Frachtwagen bei stürmischem Wetter oder wenn Lawinen
tagelang die Straße sperren. Auf der Paßhöhe bieten einzelne Häuser oder größere
Hospize (die großartigsten ans dem Gr. St. Bernhard und dem Simplon) Schutz- und
Ruhestätten. Die meisten Pässe liegen in einer Höhe von 2000 — 2300 rn über dem
Meere, die höchste Kunststraße oder die über das Stilsser Joch 2797 in, der
Brennerpaß in Tirol nur 1450 in, der Semmeriug (zwischen Wien und Graz)
992 in, daher über beide letztere auch zuerst eine Eisenbahn hergestellt worden ist,
von welchen die über den Brenner eine Höhe von 1362 in, die über den Sem-
mering 881 in erreicht. Dazu kommen die Eisenbahnen des Moni Eenis S. 167
und des St. Gotthard S. 169.
Eine Hauptzierde der Alpen ist der Kranz von großen Seen, meist er-
weiterten Flußbecken, welche den centralen Theil des Alpenzuges auf
beiden Seiten (vorzugsweise auf dem südlichen Abhang der lepontischen und
dem nördlichen der Berner Alpen) umgeben. Sie umspannen den Nordsaum der