Zweites Buch.
Geschichte des Mittelalters
Einleitung.
§ 1. Mit der Absetzung des Romulus Augustulus durch Odoaker
oder mit dem völligen Verschwinden des kaiserlichen Schattens im
Abendlande wird gewöhnlich die Geschichte der alten Zeit geschloßen,
denn obwohl die Völkerwanderung noch länger fortdauerte, so war doch
die Zertrümmerung des römischen Weltreiches vollendet. Dieses hatte
die alten Völker Italiens, Galliens, Spaniens, Britanniens, Helvetiens
sowie der Lander zwischen Alpen und Donau, in ein einziges Volk, das
römische, aufgelöst, das zuletzt alterschwach und erschöpft unter dem
Drucke des kaiserlichen Despotismus dahin siechte, bis die Germanen Wcltge-
die ihnen von der Vorsehung angewiesene Aufgabe — Europa zu Atmung
verjüngen — erfüllten. Dies thaten sie, indem sie durch die Ver-des Germa-
mischung mit der römischen Bevölkerung neue Nationen, die romani- nenthums.
schen, in das Leben riefen, oder ihren germanischen Nationalcharakter
bewahrend durch die Aufnahme der christlich-römischen Bildung aus der
Barbarei sich erhoben. Die zweite Epoche der Weltgeschichte, das Mittel-
alter, ist demnach vorzugsweise das Werk der Germanen, die sich deß-
wegen als ebenbürtiges Volk an die Griechen und Römer anreihen.
Erstes ñapitci.
Die Germanen.
Das Land der Germanen.
8 2. Die germanischen Stämme, welche auf dem linken Rheinufer Das römi-
von dem Zusammenflüsse des Rheins und der Maas (Älosa) bis an die fd>c ®emct*
Mosel (Mosella) und von der Mosel bis in das obere Elsaß wohnten, afcn'
wurden schon von Cäsar bezwungen und dieses Gebiet später alö die
Bumüllcr, Wcltg. II. 4