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nien, Italien und Griechenland leben ganze Gegenden fast
ausschliesslich vom Ertrage dieses Baumes. Wie unsere
Kirschen- und Pflaumenbäume sich freundlich zu unsern Woh¬
nungen gesellen, so ist in jenen warmen Bändern der Ölbaum
ein lieber Genosse auch der ärmsten Hütte; aber an den
felsigen Abhängen und in den Weitungen der Berge bildet er
ganze Wälder, die von der breitblättrigen Feige freundlich
umsäumt werden. Freilich kann sich das Laub des Ölbaumes
nicht mit dem des Feigenbaumes messen; denn die schmalen,
weidenartigen Blätter sind mehr grau als grün. Die dünnen,
schwanken Zweige sind auch nicht sehr schön und fahren un¬
regelmässig nach allen Seiten in die Luft hinein. Die Stämme
sind meist krumm, knorrig und zerspalten, als wären sie vom
Blitz getroffen. Aber dafür wohnt in dem segensreichen Baume
eine unverwüstliche Kraft; das Feuer kann ihn verzehren bis
zur Wurzel, und es treibt diese doch wieder ihre frischen
Sprossen, und bald ist ein neuer Baum erwachsen.
Die weifsen Blüten kommen an den Flügeln der Blätter
in kleinen Büscheln hervor und bringen eine längliche, ovale
Frucht, die Olive, welche einen harten Stein enthält. Die
Grösse der Oliven ist verschieden; einige gleichen den Kornel¬
kirschen, andere werden so gross wie unsere Pflaumen. Ihre
Farbe spielt vom hellem Grün ins Schwarzgrüne, auch wohl
ins Schwarzrote; das Fleisch ist schwammig und hat einen
bittern, widerlichen Geschmack, daher man sie roh gar nicht
gemessen kann. Wohl aber macht man die Oliven ein, be¬
sonders die abgefallenen und unreifen, indem man sie 24 Stun¬
den lang in einer Lauge von ungelöschtem Kalk und Asche
oder bloss in Salzwasser einweicht, dann wieder etliche Tage
in frisches Wasser legt und zuletzt mit Fenchel, Koriander
und andern Gewürzen in Fässer packt oder in Flaschen auf¬
bewahrt. In Italien und im südlichen Frankreich kommen
solche eingemachte Oliven als Vor- oder Zwischenessen bei
Hauptgerichten auf die Tafel, und man behauptet, dass sie die
Esslust reizen und die Verdauung befördern.
Den Hauptnutzen gewährt aber der Ölbaum durch das
feine, kostbare, bei uns als Baumöl bekannte Olivenöl. Die
Früchte, welche zur Ölbereitung dienen sollen, müssen voll¬
kommen reif sein. Sie werden auf einer dazu bestimmten
Mühle leicht zerrieben und sodann in die Presse gebracht.
Der erste, gelinde Druck gibt das beste und feinste Öl. Das¬
selbe ist weiss von Farbe, ungemein mild und süss von Ge-